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Noch nicht ganz von der Rolle – Beschäftigter der Tiefdruckerei in Ahrensburg geht noch seiner Arbeit nachFoto: Ulrich Perrey/dpa

Der Medienkonzern Bertelsmann ist auf Kahlschlagkurs in Deutschlands Norden. Nicht nur wurde Anfang Februar die Zerschlagung des Hamburger Traditionsverlags Gruner + Jahr und die Streichung von 700 Arbeitsplätzen angekündigt. Gerade einmal zwei Wochen zuvor hatte die Bertelsmann-Tochter Prinovis auch die Schließung ihrer letzten Tiefdruckerei in Ahrensburg bei Hamburg verkündet. Ende Januar 2024 soll der Betrieb dicht gemacht werden, rund 550 Menschen werden ihren Job verlieren.

"Was Bertelsmann-Vorstand Thomas Rabe jetzt bei Gruner + Jahr macht, ist genau das, was er viele Jahre bei Prinovis betrieben hat", sagt Martin Dieckmann. Dieckmann, seit 2020 im Ruhestand, war bei ver.di viele Jahre lang für Prinovis zuständig und kann präzise beschreiben, wie das einst größte Tiefdruckunternehmen Europas heruntergewirtschaftet wurde. Das Unternehmen, das 2005 als Zusammenschluss der Tiefdrucksparten von Axel Springer, Gruner + Jahr und Bertelsmann entstanden war, hatte von Beginn an eine hochaggressive Geschäftsstrategie verfolgt. Nur um einem großen britischen Konkurrenten Aufträge abzujagen, stampfte Prinovis 2006 in Liverpool ein neues Werk aus dem Boden und stattete es mit den größten und teuersten Maschinen aus. Die "Ursünde" nennt das Dieckmann.

Denn bereits damals war absehbar, dass die Tage des Tiefdrucks gezählt sein könnten. Die riesigen Rotationsmaschinen – in Liverpool mit der Rekordbreite von 4,32 Meter – rechnen sich eigentlich nur für Zeitschriften mit Millionenauflagen. Oder für dicke Versandhauskataloge. Und beides wurde immer seltener. Statt ihre Kapazitäten jedoch der zurückgehenden Nachfrage anzupassen, starteten die Druckunternehmen in Deutschland und Europa einen brutalen Verdrängungswettbewerb. Kauften noch leistungsstärkere Maschinen, eröffneten trotz allem neue Standorte, unterboten sich gegenseitig mit Kampfpreisen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Eine Abwärtsspirale von Schließungen und Pleiten war die Folge.

Das Ende der Tiefdruck-Ära

Auch Prinovis wollte unbedingt der "Last man standing" sein, das letzte Unternehmen, das überlebt. Und auch Prinovis scheiterte. Seit 2008 wurden nach und nach die Standorte in Darmstadt, Itzehoe, Nürnberg und Dresden geschlossen, insgesamt fast 3.000 Beschäftigte verloren ihre Jobs. In Liverpool gehen im Sommer die Lichter aus. Und mit dem Ende in Ahrensburg wird die Tiefdruck-Ära bei Bertelsmann endgültig Vergangenheit sein.

Dass der Betrieb in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt bis zuletzt durchhielt, dafür haben die Beschäftigten bereits seit 2010 einen hohen Preis gezahlt. "Sie haben auf alles verzichtet, was geht", sagt Jürgen Krapf vom ver.di-Landesbezirk Nord. Auf Weihnachts- und Urlaubsgeld, auf die 35-Stunden-Woche, schließlich auch auf Lohnerhöhungen. "Wir sind guter Hoffnung, dass man bei Bertelsmann erkennt, was die Leute über die Jahre geleistet haben, und dass das Unternehmen jetzt seiner sozialen Verantwortung gerecht wird."

Die Verhandlungen von Betriebsrat und Management über einen Interessenausgleich laufen. "Wir haben alle Kolleginnen und Kollegen aufgefordert, uns ihre Wünsche mitzuteilen", sagt Betriebsratsvorsitzender Florian Buchwald. "Wir haben also ein recht genaues Bild davon, was die Leute wollen." Klar ist: Billig soll Bertelsmann nach all den Jahren des Verzichts nicht noch einmal davonkommen. Angestrebt wird ein Ergebnis, das über dem liegt, was schon vor Jahren vorsorglich in einem Sozialplan-Tarifvertrag für den Fall von Betriebsschließungen bei Prinovis festgelegt wurde.

Noch, erklärt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Heiko Willers, sei die Druckerei "gut bis sehr gut" ausgelastet. Zudem habe die Funke Mediengruppe die Garantie, dass sie ihre Fernsehzeitschriften Hörzu und TV Digital bis zum letzten Tag in Ahrensburg drucken lassen kann. "Das hilft uns bei den Verhandlungen sehr."

Die Belegschaft noch mehr zu verprellen, kann sich Prinovis damit eigentlich nicht leisten. Trotzdem stellt sich der Betriebsrat auf harte Verhandlungen ein: "Wir werden nichts geschenkt bekommen", sagt Willers. An Kampfeswillen aber mangele es im Betrieb nicht. Und ver.di-Sekretär Krapf verspricht: Sollte es nötig werden, steht auch die Gewerkschaft bereit, um für zusätzlichen Nachdruck zu sorgen.

Von Joachim F. Tornau