Der Mindestlohn ist in Deutschland im vergangenen Jahr von 9,82 Euro zu Jahresbeginn auf 12 Euro ab Oktober angestiegen. Damit leistete der Mindestlohn einen spürbaren Beitrag, um in der durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Krise Nachfrage und Wirtschaftsentwicklung hierzulande zu stützen. Das geht aus dem Internationalen Mindestlohnbericht hervor, den das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung jüngst vorgelegt hat.

In 22 EU-Ländern gilt eine gesetzliche Lohnuntergrenze. Aber nur in etwa der Hälfte der Länder wurde sie im vergangenen Jahr stark genug angehoben, um die hohe Inflation mindestens auszugleichen. In zehn Ländern erlitten Beschäftigte mit einer Bezahlung in Höhe des Mindestlohns hingegen reale Kaufkraftverluste.

Zweiter Platz

Die positive Bilanz für Deutschland bezeichneten die Autoren der Studie, Malte Lübker und Thorsten Schulten, jedoch als Momentaufnahme. Da erst wieder 2024 eine Erhöhung des Mindestlohns vorgesehen ist, werde ein Teil des Zuwachses durch die weiterhin hohe Inflation in diesem Jahr aufgezehrt. Das ist in Ländern wie Frankreich, den Niederlanden oder Belgien anders, dort sollen die Mindestlöhne auch 2023 erhöht werden. In Belgien und Frankreich ist beispielsweise gesetzlich geregelt, dass der Mindestlohn zeitnah mindestens die Preissteigerung ausgleichen muss.

Beim EU-weiten Vergleich der absoluten Höhe des Mindestlohns liegt Deutschland derzeit hinter Luxemburg auf dem zweiten Platz. Allerdings werde es diesen mit hoher Wahrscheinlichkeit im Laufe des Jahres verlieren, weil hierzulande eben für 2023 keine Erhöhung der Lohnuntergrenze vorgesehen ist

Außerhalb der EU haben aktuell mehrere US-Bundesstaaten, Australien, Neuseeland und Großbritannien ein ähnliches Niveau wie Westeuropa oder sogar höhere Mindestlöhne. Kein gesetzlicher Mindestlohn existiert in Österreich, den nordischen Ländern und Italien. In diesen Staaten besteht aber eine sehr hohe Tarifbindung, die auch vom Staat stark unterstützt wird. Faktisch ziehen dort also Tarifverträge eine allgemeine Untergrenze, sodass der Niedriglohnsektor dort meist kleiner als in Deutschland ist.