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Gemeinsam haben Arbeitgeber, Gewerkschaft und Beschäftigte wegweisende Fakten geschaffenFoto: ver.di SAT

Wie bei allen unterschiedlichen Interessenslagen zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern mit Erfolg darum gerungen werden kann, attraktive Arbeitsbedingungen und Tarifabschlüsse zu erreichen, zeigt das Beispiel Waldklinikum im thüringischen Eisenberg. Die Waldkliniken sind die einzige universitäre Orthopädie Thüringens.

"Der Arbeitgeber wollte nach 15 Jahren wieder in die Tarifbindung. Dabei war es ihm wichtig, einen zukunftsweisenden Tarifvertrag zu gestalten, der sich nicht nur auf das Entgelt konzentriert. Wir standen dem zunächst skeptisch gegenüber, da eine Durchsetzungsfähigkeit nicht gegeben war. Bei Aufnahme der Verhandlungen forderten wir deshalb, dass der Tarifvertrag ausschließlich für Gewerkschaftsmitglieder gilt", sagt Bernd Becker, ver.di-Fachbereichsleiter im Landesbezirk und Verhandlungsführer. David-Ruben Thies, Geschäftsführer der Waldkliniken Eisenberg, findet dafür eine bemerkenswerte Begründung: "ver.di hat sich als fairer, verlässlicher, kompetenter und visionärer Verhandlungspartner erwiesen. Und weil Fairness immer eine zweiseitige Angelegenheit ist, haben wir mit ver.di vereinbart, dass der Eisenberger Tarif exklusiv für ver.di-Mitglieder gilt." Das vorweggenommene Fazit: Die Mitgliederzahlen wachsen jetzt stetig an!

Ein halbes Jahr wurde intensiv verhandelt und auch gestritten. Nicht selten sind die Verhandlungspartner auseinandergegangen, ohne einen Schritt weitergekommen zu sein. Beide Seiten betonen aber, dass gegenseitiger Respekt die Verhandlungen immer am Laufen gehalten habe.

"Der Eisenberger Tarif ist ein klares Bekenntnis zu attraktiven Arbeitsbedingungen und einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben", so der Geschäftsführer. "Wir schaffen damit einen zukunftsweisenden Rahmen für unsere Mitarbeitenden in allen Berufsgruppen und an allen Standorten. Und wir setzen damit neue Maßstäbe in der Kliniklandschaft". Für Bernd Becker ist die Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich im Krankenhausbereich bundesweit einmalig. In Verbindung mit dem Zeitwertkonto konnte eine Kombination vereinbart werden, die nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf berücksichtigt, sondern darüber hinaus eine individuelle Planung bevorstehender Lebensabschnitte erleichtert.

Die Eckdaten im Überblick

35-Stunden-Woche bei vollem

Lohnausgleich

9 Prozent Lohnerhöhung

31 Tage Urlaub

Lebensarbeitszeitkonto

35 Stunden Weiterbildung pro Jahr

Weitere Regelungen im Tarifvertrag

im Schichtbetrieb garantiert sechs freie Wochenenden pro Quartal

Nachtzuschläge bereits ab 20 Uhr

Ausschluss sachgrundlos befristeter Arbeitsverträge

betriebliche Krankenzusatzversicherung

betriebliche Altersversorgung

zusätzlich fünf Tage Arbeitsbefreiung für die Betreuung bei Erkrankung eines Kindes im Alter von zwölf bis 16 Jahren

Zuschuss zum Jobticket im Rahmen des Deutschlandtickets

Möglichkeit der Entgeltumwandlung für Sachleistungen

Besonders herausragend ist die vereinbarte Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich. Hinsichtlich solcher kollektiven Regelungen war branchenübergreifend seit langem ein weitgehender Stillstand zu verzeichnen. Dies war auch bei den Waldkliniken nicht anders. Die bestehende 40-Stunden-Woche wird nun schrittweise bis 2028 um in der Regel eine Stunde pro Jahr auf 35 Stunden pro Woche reduziert – und zwar mit vollem Lohnausgleich, was einer traditionellen gewerkschaftlichen Forderung entspricht. Sinkende Arbeitszeiten bei 9 Prozent Lohnsteigerung bis zum Laufzeitende des Tarifvertrages und dazu zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise eine steuer- und abgabenfreie Inflationsprämie von insgesamt 3.000 Euro (2023 1.900 Euro und 2024 1.100 Euro) wurden vereinbart. Im Anschluss gibt es dann dauerhaft eine Jahressonderzahlung, die erstmals 2024 für Vollzeitbeschäftigte in Höhe von 1.900 Euro brutto und ab 2025 in Höhe von 3.000 Euro brutto gezahlt wird.

Angesichts der in der Vergangenheit vorherrschenden Praxis, Servicebetriebe in Billig-Tochterunternehmen auszugliedern, ist eine weitere Regelung wegweisend: Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in ausgegliederten Tochterunternehmen, unter anderem für die Mitarbeiter*innen in den Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) oder in der Reinigung, werden schrittweise auf das Niveau der Muttergesellschaft angehoben. Doreen Hill, Mitglied der Tarifkommission und Beschäftigte im MVZ, sagt hierzu, dass es in der Tarifkommission nie ein Thema war, aus welcher Tochtergesellschaft man kommt.

Mit dem Eisenberger Tarif setzen die Waldkliniken Eisenberg auch ein Zeichen für mehr Wertschätzung: gute Bezahlung und Freizeit zur Regeneration seien wichtig, um die Berufe im Gesundheitswesen attraktiv zu halten. "Nur so lässt sich dem Fachkräftemangel begegnen und die medizinische Versorgung auch künftig sicherstellen", hebt David-Ruben Thies hervor.

Sylvia Bühler, ver.di-Bundesvorstandsmitglied und Leiterin des Fachbereiches Gesundheit bei ver.di, unterstreicht die hohe Bedeutung dieses Tarifvertrags: "Die Waldkliniken Eisenberg haben erkannt, dass die Arbeitsbedingungen dringend verbessert werden müssen, um genug Beschäftigte für eine gute Behandlung, Pflege und Versorgung zu gewinnen und im Beruf zu halten. Andere Arbeitgeber sollten sich daran ein Beispiel nehmen."