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Im Herbst kämpfen Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Länder für auskömmliche LöhneFoto: Taro Tatura

Im Oktober beginnt die Tarif- und Besoldungsrunde für die Beschäftigten der Länder. Verhandelt wird mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über einen Tarifvertrag für die Beschäftigten der Bundesländer. Die Vorbereitungen laufen schon jetzt auf Hochtouren, auch in Hamburg.

Eine häufige Frage soll vorweg geklärt werden: Es gibt zwei große Tarifverträge, die im öffentlichen Dienst gelten: Den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen (TVöD) und den Tarifvertrag für die Beschäftigten der Länder (TV-L).

Der TVöD gilt in Hamburg zum Beispiel für viele städtische Unternehmen wie Stadtreinigung und Elbkinder Kitas. Der TV-L gilt für die Landesbeschäftigten, in Hamburg arbeiten sie zum Beispiel in den Bezirksämtern, bei der Feuerwehr oder an Universitäten. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist in der Regel einfach vom Öffentlichen Dienst die Rede. Dass es hier zwei Tarifrunden gibt, führt gelegentlich zu Verwirrung.

Für den Bereich des TVöD hat ver.di – nach massiven Streiks – im Frühsommer einen Abschluss erkämpft. Die Verhandlungen für die Länderbeschäftigten stehen nun bevor. Mitte Oktober beschließt die Bundestarifkommission die Forderung, am 26. Oktober findet die erste Verhandlung statt.

Die Problemstellungen in der kommenden Tarifrunde liegen auf der Hand: Die nach wie vor hohe Inflation bei gleichzeitig überproportional hohen Lebenshaltungskosten in Hamburg und der Personalmangel, der sich weiter zuspitzt.

"Die Lebenshaltungskosten in Hamburg liegen im Schnitt 210 bis 545 Euro über denen im Umland", berichtet Monika, Sprecherin der Fachgruppe Bund und Länder bei ver.di Hamburg. "Schon in den Gesprächen vor der Tarifrunde 2021 wurde deutlich, dass wir, die wir für diese Stadt arbeiten, kaum in ihr leben können." 2021 entstand die Idee einer Hamburg-Zulage und die politische Kampagne, die dieses Ziel systematisch verfolgt.

Kampf für die Hamburg-Zulage

"Das hat die Menschen in den betroffenen Bereichen erreicht" schildert Monika. Viele persönliche Gespräche, regelmäßige Aktivitäten, mehr Einbindung der Beschäftigen: Das führte auch zu deutlich mehr ver.di-Beitritten, als in den vorangegangenen Tarifrunden. Nach dem Tarifabschluss blieben die Aktiven am Ball und haben sich entschieden, weiter politisch für die Hamburg-Zulage zu kämpfen.

Es folgte eine Petition mit 8.000 Unterschriften, die öffentlich an den Finanzsenator Andreas Dressel, SPD, übergeben wurde. "Unser Ziel waren 2.000 Unterschriften", erinnert sich Monika. Dressel war beeindruckt und zeigte sich gesprächsbereit. Ende 2022 fanden drei Gespräche statt, nachdem diese jedoch keine Veränderung brachten, legten die Kolleg*innen nach.

Beschäftigte der einzelnen Bereiche schrieben Brandbriefe an den Finanzsenator. In klaren Worten schildern sie darin die dramatische Lage in ihren Abteilungen. Da geht es um Personalmangel und steigende Krankenzahlen, die zu Abwanderungen führen, und um die Frage, wie die Arbeit für die Bürger*innen der Stadt noch geleistet werden kann. Im Sommer 2023 wurden die Brandbriefe dem Senator öffentlichkeitswirksam übergeben. Sie kommen von Abteilungen des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD), aus Bauhöfen, Fachämtern, von der Feuerwehr und vielen anderen Bereichen. Eine ASD-Abteilung schreibt zum Beispiel: "(…) Freie Stellen können nicht nachbesetzt werden (…) Die Krankheitsausfälle steigen stetig. Steigender Druck und Stress führt bei den Mitarbeitenden zu massiver Dauerüberlastung und Frustration (…) Daraus resultieren Langzeiterkrankungen sowie weiterer Weggang von Mitarbeiter*innen (…) Es ist unverantwortlich, uns und unsere Klienten in dieser Situation alleine zu lassen." Der ASD ist die zentrale Anlaufstelle für Familien, Jugendliche und Kinder in Notsituationen.

Volki, Betriebsgruppensprecher und selbst Beschäftigter beim ASD, erläutert die Problemlage: "In Hamburg werden wir nach TV-L bezahlt, im Umland nach TVöD. Das bedeutet 300 bis 600 Euro mehr pro Monat. Hinzu kommen noch die höheren Lebenshaltungskosten in Hamburg. Wir haben seit Anfang des Jahres in meiner Abteilung jeden Monat eine Kollegin oder einen Kollegen verabschiedet. Wir brauchen die Hamburg-Zulage, um diese Lücke zu schließen." Das wäre auch im Interesse der Stadt, wenn der öffentliche Dienst nicht weiter ausbluten soll.

Kann es gelingen diese Forderung durchzusetzen? "Wir haben viel bewegt, haben Strukturen aufgebaut, wo früher fünf Aktive waren, sind jetzt dreißig. Immer mehr Kolleg*innen übernehmen Verantwortung", ist Volki optimistisch. Sein Fazit: "Die Kolleginnen und Kollegen haben gesehen: Wir können etwas bewegen, alle haben Bock – wir sind streikbereit!"

Streikbereit sind auch die aktiven Studierenden der Initiative "TV Stud". Sie setzen sich seit 2019 für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte ein, dieses Jahr soll es gelingen. Bisher gilt für sie nur in Berlin ein Tarifvertrag. Die Hauptstadt ist hier Vorreiterin und bezahlt ihre studentischen Beschäftigten nach dem TVL. Alle anderen leben mit einem Wildwuchs an Regelungen. Die aktuelle Studie "Jung, akademisch, prekär" stellt zum Beispiel fest, dass ein*e studentisch Beschäftigte*r im Durchschnitt 4,6 Arbeitsverträge auf derselben Stelle hat, Kettenbefristungen sind an der Tagesordnung, 77,6 Prozent der studentisch Beschäftigten sind zudem armutsgefährdet, die Bezahlung liegt oft nur knapp über dem Mindestlohn.

"Vor 15 Jahren konnte eine Studentin sich mit einem Job an der Uni noch finanzieren, das ist jetzt nicht mehr der Fall. Wie wir bezahlt werden, ist abhängig vom politischen Willen in den Bundesländern, viele hatten den letzten größeren Gehaltssprung mit der Anhebung des Mindestlohns", sagt Laura, Mitglied der ver.di-Bundesjugendtarifkommission und Politikstudentin an der Uni Hamburg.

Die Initiative kämpft dafür, dass der Tarifvertrag für studentische Beschäftigte zur Forderung in der Tarifrunde wird. "Die Chancen, erfolgreich für einen für einen Tarifvertrag zu kämpfen, stehen so gut wie nie", so Laura. "Wir haben mit weit über 3.000 Betroffenen gesprochen, die allermeisten sind streikbereit."