Ausgabe 08/2023
Sicherheit kostet
Sie übernehmen viel Verantwortung, müssen bei jedem Wetter Veranstaltungen und auch Menschen schützen. Nur: Gut bezahlt werden sie dafür nicht. In den zurückliegenden Wochen haben die Tarifverhandlungen für die rund 155.000 Beschäftigten der Wach- und Sicherheitsdienste begonnen. Stand Anfang Dezember gab es noch in keinem der zwölf regionalen Tarifgebiete einen Abschluss. "Die Forderungen unterscheiden sich in den Tarifregionen, aber klar ist, dass alle in Anbetracht der anhaltenden Preissteigerungen gerade für Lebenshaltungskosten und Mieten dringend real mehr Lohn brauchen", sagt Christian Schadow, der im ver.di-Bundesfachbereich "Öffentliche und private Dienstleistungen, Sozialversicherung und Verkehr" die Wach- und Sicherheitsdienste betreut.
15 Prozent mehr in NRW
In Nordrhein-Westfalen hat die neugewählte Tarifkommission am 18. Oktober als Kernforderung für die Beschäftigten 15 Prozent mehr Entgelt für alle Lohngruppen, mindestens aber 2 Euro mehr pro Stunde beschlossen. Die Zulagen sollen um 50 Cent pro Stunde steigen, ebenso der Aufwand-Ersatz. Für die Auszubildenden will ver.di in NRW 200 Euro mehr pro Ausbildungsjahr. Und das alles bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von 12 Monaten.
Die Arbeitgeberseite in Gestalt des Bundesverbandes der Sicherheitswirtschaft (BDSW) hat zwar ihrerseits früh ein eigenes Angebot vorgelegt, das aber mit zunächst 44 Cent mehr Stundenlohn weit hinter den ver.di-Forderungen und dem Erforderlichen zurückfiel. "In der ersten Verhandlungsrunde am 21. November packten die Arbeitgeber etwas drauf, doch die angebotenen 1,6 Prozent und weitere 9 Cent reichen bei weitem nicht", hieß es in einem Tarifflugblatt aus NRW an die Beschäftigten der Branche.
Das Hauptargument gegen eine deutlich höhere Entgeltanpassung der Arbeitgeber sei die Behauptung gewesen, bei der Kundschaft keine entsprechend steigenden Preise für Wach- und Sicherheitsaufgaben durchsetzen zu können. So hätten die Gespräche durchaus in einer guten und konstruktiven Atmosphäre stattgefunden, aber inhaltlich liege man sehr weit auseinander – auch beim Thema Erhöhung des Nachtzuschlages, den die Arbeitgeberseite komplett ablehnt.
Sollte es in den nächsten Wochen keine echte Annäherung geben, hat die Tarifkommission NRW die Beschäftigten bereits auf mögliche Streiks eingestimmt. "Wenn Arbeitgeber berechtigte Forderungen nach besseren Löhnen und Arbeitsbedingungen ignorieren, kann ein Streik unumgänglich werden", heißt es in einem anderen Flugblatt, das die Beschäftigten über ihr grundgesetzlich verbrieftes Streikrecht informiert und auf Onlineveranstaltungen kurz vor Weihnachten hinweist, in denen der Arbeitskampf konkret vorbereitet werden soll – vorausgesetzt es hat zuvor keinen Tarifabschluss gegeben.
Mauern in Hessen und Sachsen-Anhalt
In Hessen fand Ende November bereits die zweite Verhandlungsrunde mit dem BDSW über einen neuen Entgelttarifvertrag für das Sicherheitsgewerbe statt. Die Arbeitgeber hätten jedoch gemauert und kein verbessertes Angebot präsentiert, hieß es aus der ver.di-Tarifkommission. Das erste Angebot sei mit gerade einmal 3,15 Prozent mehr Lohn für 2024 eine reine Enttäuschung gewesen.
"Wir wollen verhandeln und uns bewegen", hieß es von den Mitgliedern der Tarifkommission. "Gleichzeitig haben wir aber auch klargestellt, dass wir keinen Abschluss um jeden Preis machen werden. Wir wollen einen guten Tarifabschluss." Allerdings sei der BDSW zu keinen Verbesserungen seines Angebotes bereit gewesen, habe sogar mit "Nullmonaten" gedroht, falls die gebotenen 3,15 Prozent Lohnsteigerung abgelehnt würden. "Wer nach dem Motto ,Friss oder stirb' verhandelt, muss sich nicht wundern, wenn die Gewerkschaft darauf mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln reagiert." Abwenden könnten die Arbeitgeber das noch in der nächsten Verhandlungsrunde, die für den 21. Dezember angesetzt ist.
In Sachsen-Anhalt fand die erste Runde der Tarifverhandlungen am 8. November statt. Auch dort lagen die Vorstellungen der Verhandlungsparteien deutlich auseinander: Während die ver.di-Tarifkommission in der Region 1,80 Euro mehr Stundenlohn für die Entgeltgruppe 1 fordert, boten die Arbeitgeber lediglich 50 Cent und sagten, dass sie über viel mehr nicht reden könnten, wie Stefan Hilbig, stellvertretender ver.di-Landesbezirksfachbereichsleiter, mitteilte.
Über alle weiteren Forderungen der ver.di-Tarifkommission hätten sie erst nach einer Einigung über diese Lohnerhöhung sprechen wollen. "Deutlich wurde, ohne eure Geschlossenheit werden diese Verhandlungen hart", sagte Gewerkschafter Hilbig gegenüber den Beschäftigten. Die Forderungen könnten sich nicht von allein umsetzen. Er appellierte an die Kollegen und Kolleginnen der Wach- und Sicherheitsdienste, sich zu organisieren. "Je mehr wir werden, desto besser unsere Durchsetzungsmöglichkeiten!"