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Die 4-Tage-Woche begeistert auch die Beschäftigten in dieser Fabrik für Fisch in DosenGodong/robertharding/laif

Es geht: Die 4-Tage-Woche fasst nach sechs Monaten Projektphase in Portugal Fuß. „95 Prozent der teilnehmenden Unternehmen beurteilen die Erfahrung als positiv und die Arbeitnehmer sind durchweg zufrieden“, fasst Projektleiter Pedro Gomes die vorläufigen Ergebnisse zusammen. Der 42-jährige Wirtschaftsprofessor aus Lissabon unterrichtet an der Birkbeck University of London und veröffentlichte 2021 das Buch „Friday is the New Saturday“, in dem er die 4-Tage-Woche als eine bessere Möglichkeit, die Wirtschaft im 21. Jahrhundert zu organisieren, beschreibt. Durch sein Buch wurde die ­portugiesische Regierung unter dem ­Sozialdemokraten António Costa auf ihn aufmerksam. Für Gomes bedeutet das Projekt den Schritt von der Theorie zur Praxis.

„Die meisten Unternehmen beteiligen sich, weil sie sich von der 4-Tage-Woche einen Wettbewerbsvorteil versprechen, wenn es darum geht qualifiziertes Personal zu finden und zu halten“, sagt Gomes. Sein Team unterstützte die Teilnehmer mit Schulungen im Vorfeld. Anders als ­etwa im Nachbarland Spanien gab es keinerlei Subventionen. „Um die Ergebnisse nicht zu verfälschen“, betont Gomes. Die reale Arbeitszeit musste verkürzt werden, um einen zusätzlichen Tag frei zu haben. Und das alles bei vollem Lohnausgleich.

Alle Bedenken zerstreut

Manche Unternehmen schließen jetzt freitags ganz, andere schicken montags und freitags jeweils einen Teil der Belegschaft nach Hause. Wieder andere haben ein rotierendes System eingeführt. Und einige wenige Unternehmen arbeiten ­eine Woche fünf Tage und die nächste vier Tage. „Das haben wir zugelassen, um einen erleichterten Einstieg zu ermög­lichen“, so Gomes.

Die Praxis zerstreute am Ende alle Bedenken: „Wir haben nicht das Gefühl, dass die Produktion im Unternehmen gestiegen ist, aber sie ist auch nicht gesunken. Es ist den Mitarbeitern trotz 8 Stunden weniger pro Woche gelungen, die gleichen Ziele zu erreichen. Das bedeutet, dass sie individuell produktiver waren, indem sie die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit erledigten“, berichtet etwa Rui Teixeira, CEO beim Softwareentwickler RandTech im nordportugiesischen Porto.

„Die 4-Tage-Woche gibt den Beschäftigten einen Anreiz mitzumachen, nämlich zusätzliche Freizeit. Das steigert die Produktivität in den verbleibenden Arbeits­stunden“, bestätigt Gomes. Bis auf eine Ausnahme – eine Kindertagesstätte – musste keines der 41 Unternehmen zusätzliches Personal einstellen. „Der Arbeitstag wird besser genutzt. 75 Prozent der Unternehmen haben die Arbeitsabläufe umgestellt“, berichtet Gomes. Arbeitsabläufe wurden analysiert, Sitzungen verkürzt oder ganz abgeschafft, die Kommunikation besser strukturiert, Technologie effektiver eingesetzt. Viele Unter­nehmen haben „Zeitblocks“ geschaffen. „Das sind mehrere Stunden am Stück, in denen weder Mails beantwortet noch Anrufe entgegengenommen werden. Es wird nur gearbeitet“, erklärt der Wirtschaftsprofessor.

„Das Pilotprojekt zeigt, dass sich die ­Arbeitswelt verändert. Eine gute Work-Life-Balance ist sehr wichtig“, sagt Conceição Henrique, Technische Direktorin des Centro Social Pero Pinheiro. Ihr Unternehmen, an dem nur Verwaltung und Küche in die Vier-Stunden-Woche ging, betreut ältere Menschen in Sintra und Umgebung. „Nur weil wir mehr Stunden am Arbeitsplatz verbringen, heißt das nicht, dass wir produktiver oder besser sind“, fügt sie hinzu.

Catarina Barros von CRIUS Consulting in Porto legt das Augenmerk ganz besonders auf das Betriebsklima. „Die neue ­Balance zwischen Privat- und Berufsleben hat zu einem gesünderen und produktiveren Arbeitsumfeld geführt“, sagt sie. Das Verhältnis innerhalb der Belegschaft, sowie der Beschäftigten mit dem Unternehmen habe sich deutlich verbessert. „Die Mitarbeiterzufriedenheit und der ­reduzierte Stress machen sich bemerkbar, was letztendlich zu einer erhöhten Talentbindung führt“, stellt Barros fest.

Mehr Zeit für Familie und Hobbys

Bei einer anonymisierten Umfrage wurden 200 der insgesamt 1.000 Mitarbeiter der 41 Unternehmen befragt. 46 Prozent gaben vor der 4-Tage-Woche an, dass es sehr schwierig sei, Arbeit und Privatleben in Einklang zu bringen. Jetzt sind es nur noch 8 Prozent. 65 Prozent haben nun mehr Zeit für Familie, 60 Prozent widmen sich mehr als bisher ihren Hobbys und 45 Prozent treffen häufiger Freunde als zuvor.

Mehr Freizeit bedeutet auch mehr Gesundheit: Angstgefühle und Beklemmung gingen um 21 Prozent, Müdigkeit um 23 Prozent, Schlafstörungen um 19 Prozent und depressive Zustände um 21 Prozent zurück. Insgesamt sank der Krankenstand.

Während die Projektleitung rund um Gomes am für April vorgesehenen Abschlussbericht arbeiten, wird in den Betrieben weiter diskutiert. Bisher haben nur zwei der 41 Unternehmen angekündigt zur Fünf-Tage-Woche zurückzukehren. Drei neue Unternehmen haben sich bei Gomes gemeldet. Sie haben zu Jahresbeginn die 4-Tage-Woche eingeführt.

Im Februar wird es eine erste Gewerkschaftskonferenz in Portugal zur Vier-­Tage-Woche geben. Das stimmt Gomes besonders zufrieden. Denn: „Die Gewerkschaften in Portugal setzen mehr auf eine generelle Arbeitszeitverkürzung in Form der 35-Stunden-Woche. Die 4-Tage-­Woche ist da wesentlich flexibler. Sie verändert die Arbeitsabläufe, individualisiert Arbeitszeit je nach Unternehmen. Zudem ist es eine Initiative, die von den Unternehmerseite vorangetrieben wird. All das macht es nicht leicht, die Gewerkschaften dafür zu gewinnen.“

ver.di publik berichtete bereits in der Ausgabe 05_2023 über das Projekt.