Ausgabe 06/2025
Ein Novum in der Geschichte
Bei der Vergabe der 25. BigBrotherAwards hat es zum ersten Mal auch diejenigen getroffen, die "Datenkraken gewähren lassen", sagte Jurymitglied Katharina Just, Informatikerin und zertifizierte Datenschutzbeauftragte. In der Kategorie "Arbeitswelt" erhielten das Verwaltungsgericht Hannover und das Bundesarbeitsgericht gemeinsam einen Negativ-Preis für ihre "krassen Fehlurteile" in Sachen Amazon.
Das Verwaltungsgericht hatte die Totalüberwachung von Angestellten eines Amazon-Logistikzentrums in Winsen an der Luhe, Niedersachsen, abgesegnet. Jeder Handgriff werde per Kamera oder Handscanner dokumentiert und protokolliert, es herrsche ein Klima der Angst und des Misstrauens, so die Jury. Im Jahr 2017 beschwerte sich der Betriebsrat bei der Landesdatenschutzbehörde. 2020 fällte der niedersächsische Datenschutzbeauftragte einen Beschluss gegen Amazon, die Dauerkontrolle sei nicht erforderlich und unverhältnismäßig. Der US-Konzern zog gegen den Bescheid der Aufsichtsbehörde vor das Verwaltungsgericht Hannover, dessen 10. Kammer sich des Falles annahm. Die Jury kritisierte, dass nicht im Gerichtsgebäude verhandelt wurde, sondern in den Geschäftsräumen von Amazon, wo die Beschäftigten als Zeugen kaum unbefangen aussagen konnten. Am 2. Februar 2023 gab das Gericht der Klage Amazons in jedem Argument statt.
Axt ans Recht gelegt
Zweiter Fall Amazon Logistik GmbH in Bad Hersfeld: Einem Amazon-Betriebsrat wurde das Mitbestimmungsrecht bei der Einführung einer Software verweigert, die Beschäftigtendaten wesentlich in den USA verarbeitet. Der Betriebsrat beschwerte sich, da dort niemand die Kontrolle darüber habe. Der erste Senat des Bundesarbeitsgerichts lehnte die Beschwerde in letzter Instanz ab, aber orientierte sich nicht an Europäischem Recht, so die Kritik der Jury. Im Ergebnis könnten sich Arbeitgeber beim Datenschutz "stur stellen". Betriebsräte seien jedoch eine wichtige demokratische Instanz. "Wer die Axt an das Mitbestimmungsrecht legt, der stellt eine Grundsäule unserer sozialen Wirtschaftsordnung in Frage", kritisierte Jury-Mitglied Just.
Weitere Preise gingen an die Unternehmen TikTok und Google. Die chinesische Plattform bekam den Award für Verletzungen des Datenschutzes, für die Verbreitung von Fake-News und Hatespeech und die Manipulation von Menschen. Google bekam ihn für den KI-Assistenten Gemini, der umfangreiche Daten abgreife, die noch jahrelang ausgewertet würden. Einen weiteren Award gab es für den Einsatz von iPads in Schulen und die Ausgrenzung Jugendlicher am Beispiel des Messenger-Dienstes WhatsApp. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt bekam einen Award für sein geplantes "Sicherheitspaket", das den umfangreichen Einsatz von Gesichtersuchmaschinen vorsieht und nicht nur Verdächtige sondern alle Menschen mit Hilfe dubioser Unternehmen vermisst. Zudem bekam der Begriff "Bürokratieabbau" einen Award, weil er irreführend sei und als Vorwand für Deregulierung diene. Tatsächlich gehe es um das Abschaffen von Verbraucherrechten, Umweltschutz, Arbeitnehmerrechten, Pressefreiheit, Gesetzen für fairen Wettbewerb und anderem "lästigen Kram", so die Jury. Marion Lühring