Um mehr Geld für die Gesundheitsversorgung zu erzielen, sollen mehr Zahlende in eine Bürgerversicherung einbezogen werden

"Staatliche Sparmedizin", "Planwirtschaft mit Polikliniken nach DDR-Muster" und lange Wartezeiten auf einen Arzttermin - so reagierte die Freie Ärzteschaft jüngst auf die Forderung nach einer Bürgerversicherung. Zu dieser will ver.di die Krankenversicherung umbauen, damit es in Deutschland ein verlässliches und solidarisches Gesundheitssystem gibt. Auch SPD, Grüne und Linkspartei favorisieren dieses Modell, das deutlich mehr Bürger/innen als heute in die gesetzliche Krankenversicherung einbeziehen würde.

Doch vor allem die Lobbyorganisationen der Ärzt/innen machen mobil gegen diesen Vorschlag. Bereits im Mai hatte der Deutsche Ärztetag das Modell abgelehnt. Dabei haben die gesetzlichen Änderungen der letzten Jahre - Stichworte: Leistungseinschränkungen, Praxisgebühr, Gesundheitsfonds, Kostendeckelungen, Zusatzbeiträge - vor allem die gesetzlich Versicherten und die Beschäftigten im Gesundheitsbereich belastet. Auch für die Zukunft lassen die neuen Regelungen nichts Gutes erwarten. Mit dem Gesetz zur Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), das am 1. Januar 2011 in Kraft trat, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung die Tür für die Kopfpauschale weit aufgemacht.

Kopfpauschalen sind das Gegenmodell zur Bürgerversicherung. Hier zahlt jeder einen einheitlichen Beitrag für seine Krankenversicherung, egal ob er wenig oder viel verdient. Wer mehr als diese Grundversorgung möchte, muss weitere Leistungen hinzukaufen. Eine Bürgerversicherung hingegen sorgt für eine solidarisch finanzierte Pflege und Gesundheitsversorgung, die im Krankheitsfall allen Patient/innen bedarfsgerechte Leistungen garantiert und den Beschäftigten gute Arbeit ermöglicht. "Alle sollen für alle von allem zahlen", ist das Prinzip. Die Versicherungspflicht soll daher ausgedehnt werden auf Selbstständige, Beamtinnen und Beamte.

Die paritätische Finanzierung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber soll erhalten bleiben. Um alle ihrer Leistungsfähigkeit entsprechend an den Kosten von Gesundheit und Pflege zu beteiligen, sollen die Beitragsbemessungsgrenze angehoben und die Bemessungsgrundlage um weitere Einkommensarten wie Kapital- und Zinserträge erweitert werden. Die so entstehenden Mehreinnahmen sollen genutzt werden, um die Beiträge stabil zu halten, Zusatzbeiträge überflüssig zu machen und die Qualität der Versorgung insgesamt zu stärken. So schafft die Bürgerversicherung auch den notwendigen finanziellen Spielraum, um die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich zu verbessern.

Die Einführung einer derart ausgestalteten Bürgerversicherung bedarf aber eines Szenarios, wie der Umwandlungsprozess von Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) und Privaten Krankenversicherungen (PKV) in einen Bürgerversicherungsmarkt im Hinblick auf die Beschäftigtensituation erfolgen soll. Die Frage, welche Folgen sich für die Beschäftigten insbesondere in der privaten, aber auch in der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer Integration in eine Bürgerversicherung ergeben, ist von erheblichem Belang und ein zentrales gewerkschaftliches Thema. Die Einführung einer Bürgerversicherung braucht deshalb gleichzeitig ein Konzept, das die sozialverträgliche und arbeitsplatzsichernde Zukunft der Beschäftigten herausstellt. red