Woher bekommt der Staat mehr Geld für die Daseinsvorsorge? Höhere Steuern fordern SPD, Grüne und Linkspartei. Betroffen von den Vorschlägen sind nur Bezieher/innen hoher Einkommen und Reiche

Vorne: Carina Brand, 23, aus Pegnitz und Isabell Senff (hinten), 25, aus Eisleben, sind Zustellerinnen bei der Deutschen Post Oben: Oliver Schlemmer, 33, ist Fachangestellter für Arbeitsförderung bei der Arbeitsagentur Neumünster Unten: Memet Emin Özcan, 43, ist Teamassistent bei Bauhaus in Witten

von Heike Langenberg

Mit der Forderung nach höheren Steuern ziehen Grüne, SPD und Linkspartei in den dieses Jahr in den Bundestagswahlkampf. Sie wollen den Spitzensteuersatz für hohe Einkommen erhöhen. Derzeit liegt er bei 42 Prozent, gesenkt wurde er von der damaligen rot-grünen Bundesregierung. In den 1980er und Anfang der 1990er Jahre unter der Regierung Helmut Kohl, CDU, hatte er noch bei 53 Prozent gelegen.

Auf diese Höhe will ihn auch die Linkspartei wieder anheben, für alle Einkommensbestandteile über 65.000 Euro im Jahr. Dafür will sie den Grundfreibetrag auf 9300 Euro anheben. Auch die Grünen wollen niedrige Einkommen entlasten und das steuerfreie Existenzminimum auf mindestens 8700 Euro anheben. Derzeit liegt es bei 8130 Euro. Dafür sollen Einkommen über 60.000 Euro nach dem Wahlprogramm der Grünen künftig mit 45 Prozent, über 80.000 Euro mit 49 Prozent besteuert werden. Und die SPD will auf Einkommen über 100.000 Euro 49 Prozent Einkommenssteuer erheben.

Stephan TregeL, 53, ist Projektleiter im Bereich Automobilforschung bei TNS Infratest München

Die Auswirkungen dieser Forderungen auf den überwiegenden Teil der Einkommen sind gering. Denn bei der Berechnung der Einkommenssteuersätze muss man nicht vom Jahresbruttoeinkommen ausgehen, sondern von dem zu versteuernden Einkommen. Und das liegt bei vielen niedriger. Auch gilt der höhere Steuersatz nur für den Teil des Einkommens, der über dem genannten Grenzwert liegt. Norbert Reuter vom ver.di-Bereich Wirtschafts- politik geht davon aus, dass frühstens ab einem Bruttoeinkommen von rund 70.000 Euro in der Steuerklasse 1 nach den drei Modellen mit einer monatlichen Mehrbelastung zu rechnen sei. Im Gegenzug würden bei den Grünen und der Linkspartei niedrigere Einkommen entlastet.

Doch Union und FDP basteln aus diesen Vorschlägen ein Horrorszenario. "Wir wollen Leistungsträger in der Mitte unserer Gesellschaft - anders als Rot-Grün - nicht mit Steuererhöhungen für ihre Anstrengungen und tägliche Arbeit bestrafen, sondern sie entlasten", heißt es im Wahlprogramm von CDU und CSU. "Eine höhere Steuerbelastung für Bürger und Unternehmen lehnen wir entschieden ab. Hohe Steuersätze führen nicht automatisch zu höheren Staatseinnahmen, sondern verhindern Wachstum, vernichten Arbeitsplätze und gefährden damit die Existenz zahlloser Arbeitnehmer und ihrer Familien", steht dazu im Wahlprogramm der FDP.

Bis zu 5 Milliarden Euro würden die Pläne von SPD, Grünen und Linkspartei einbringen. Doch das ist nicht die einzige Quelle, aus der sie Geld in die leeren Staatskassen bringen wollen. Auch Vermögens- und Erbschaftssteuer sollen für weitere Staatseinnahmen sorgen. Denn die öffentliche Infrastruktur ist marode, viele Kommunen leiden unter Geldmangel, Dienstleistungen der Daseinsvorsorge müssen sie immer weiter einschränken. Um der Gesellschaft eine gute Zukunft zu sichern, setzt sich auch ver.di ein für eine Millionärsabgabe, eine Vermögenssteuer, höhere Steuern auf große Erbschaften sowie auf Kapitalerträge und hohe Einkommen. Außerdem fordert ver.di mehr Steuern von finanzstarken Unternehmen, eine Finanztransaktionssteuer und einen besseren Steuervollzug, um Steuerbetrug zu bekämpfen. Das würde Mehreinnahmen von rund 100 Milliarden Euro pro Jahr bringen.

Aber auch hier argumentieren Union und FDP munter gegen die Vorschläge. "Eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer und Erhöhung der Erbschaftssteuer schadet daher unserer Wettbewerbsfähigkeit und vernichtet Arbeitsplätze", lautet die Aussage im Wahlprogramm von CDU und CSU. Die FDP warnt von einem "massiven Abfluss von Kapital und Vermögen aus Deutschland". Nur wie die öffentlichen Haushalte wieder zu Geld kommen sollen, verraten die drei Parteien nicht.