Margret Mönig-Raane ist stellvertretende ver.di-Vorsitzende

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Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft steht vor Tarifverhandlungen in den Bereichen Druckindustrie, Einzelhandel, Groß- und Außenhandel und Versicherungswirtschaft. Sie sollen ein klares Signal setzen: Die Beschäftigten wollen sich nicht länger in Lohnzurückhaltung üben, sie brauchen - auch in Anbetracht der Mehrwertsteuererhöhung und steigender Krankenversicherungsbeiträge - ein Einkommenswachstum, das diesen Namen verdient.

Die Konjunkturbilanz für 2006 ist hervorragend. Es gibt in vielen Branchen deutliche Produktivitätszuwächse und entsprechend mehr Geld an die zu verteilen, die dieses Wachstum möglich machen: die Beschäftigten. Doch die Arbeitgeber reagieren reflexartig. Kaum hatte die IG Metall angekündigt, in der Tarifrunde sieben Prozent mehr Lohn und Gehalt zu fordern, tönte es aus Unternehmen und Verbänden, dass weiter Zurückhaltung geboten sei. Über Einmalzahlungen und betriebliche Sonderwege könne verhandelt werden, doch keinesfalls dürften die Tariflöhne deutlich steigen. Das sind vertraute Töne. Richtig werden die Behauptungen der Arbeitgeber durch ständige Wiederholung freilich nicht. Tatsächlich konnten in den letzten Jahren nur geringe Entgelterhöhungen durchgesetzt werden. Zu viele Beschäftigte blieben in den Tarifrunden zurückhaltend, weil die Sicherung ihrer Arbeitsplätze in Aussicht gestellt wurde.

Wie sieht die Realität aus? Die Deutsche Telekom baut 30000 Stellen ab, bei den Großbanken werden tausende Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren, Insolvenzen und der Ausverkauf von Traditionsunternehmen an Finanzinvestoren prägen das Bild. Den Beschäftigten ist ihr Verzicht auf reale Einkommenssteigerungen schlecht gelohnt worden.

Es geht in diesem Jahr aber nicht nur ums Geld. Die Arbeitgeber im Einzelhandel haben flächendeckend die Manteltarifverträge gekündigt. Verhandlungen über Zuschläge für Spät-, Nacht- und Wochenendarbeit stehen an. Auch hier bahnen sich harte Auseinandersetzungen an. Die Arbeitgeber wollen Zuschläge und Zeitgutschriften für Verkäuferinnen und Verkäufer einkassieren. Denn mit den Neuregelungen der Ladenöffnungszeiten durch die Länder sei Spät- und Wochenendarbeit ja quasi "normal" geworden und müsse nicht mehr extra vergütet werden!

Diesem "Argument" treten wir entschieden entgegen. Seit langem ist klar, dass längere Ladenöffnungszeiten weder mehr Umsatz noch mehr Beschäftigung bringen; doch nun sollen die Verkäuferinnen und Verkäufer die Zeche für eine Fehlentscheidung zahlen. Sie zählen gewiss nicht zu den Großverdienern, müssen zunehmend ungünstige Arbeitszeiten auf sich nehmen und haben deshalb immer weniger Gelegenheit, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Sie brauchen vernünftige Arbeits- und damit auch Lebensbedingungen. Dazu gehören freie Wochenenden ebenso wie eine Vergütung von Spät- und Wochenendarbeit. Wir sind nicht mehr bescheiden.