PROF. DR. FRIEDHELM HENGSBACH SJ. ist ein führender Vertreter der kath. Soziallehre

Was ist "gute Arbeit"? Martin Luther meinte, dass durch Arbeit kein Mensch stirbt, aber durch Müßiggehen die Leute sich um Leib und Leben bringen: "Denn der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen." Papst Johannes Paul schrieb 1991: "Die Arbeit ist eine fundamentale Dimension der Existenz des Menschen auf Erden." Man sollte diejenigen fragen, was "gute Arbeit" ist, die kein Geld- und Sachvermögen haben, sondern ihr Arbeitsvermögen verkaufen müssen, um den Lebensunterhalt zu verdienen. Eine Forschungsgruppe aus München hat dies getan, indem sie repräsentativ mehr als 5000 abhängig Beschäftigte befragte.

Die Kolleginnen und Kollegen haben an erster Stelle ein festes verlässliches Einkommen und einen sicheren unbefristeten Arbeitsplatz genannt. Die Arbeit soll abwechslungsreich und sinnvoll sein. Sie soll stolz und selbstbewusst machen. Auf die Frage, wie sie ihre tatsächliche Arbeit erleben, sind erfreuliche Seiten geschildert worden: Zusammenarbeit, Anerkennung, konstruktive Kritik, das Empfinden sinnvoller Arbeit. Aber nur eine Minderheit kann behaupten, dass die Arbeit abwechslungsreich und der Arbeitsablauf steuerbar ist, dass eigene Kompetenzen entwickelt werden und Weiterbildung im Betrieb möglich ist. Drei Prozent der Befragten haben einen Arbeitsplatz, der das Prädikat "gute Arbeit" verdient. Aber über 84 Prozent der Arbeitsplätze liegen dunkle Schatten.

In welchem Kontext wird die Frage nach "guter Arbeit" gestellt? Offensichtlich ist sie nur für eine Minderheit überhaupt erfahrbar. Im Kontrast dazu prangern die Medien die Arbeit deutscher Manager an, die von der Gier nach dem großen Geld gepackt sind, sich aus der Firmenkasse bedienen, den Aktienkurs der Unternehmen in die Höhe treiben und ihre Gehälter anschließend dem selbst erzeugten Steilflug anpassen. Sie erpressen gleichzeitig ihre Belegschaften zu Zugeständnissen, die Arbeitszeiten zu verlängern und Lohnkürzungen zu akzeptieren. Werbeagenturen erzählen den Mythos des autonomen Arbeiters, der die engen Schranken einreißt, die früher einmal die betriebliche und private Sphäre trennten und den Interessen-gegensatz von Arbeit und Kapital bestimmten.

Ist die Frage nach der persönlich "guten Arbeit" etwa ein Alibi für das politische Schweigen, das die Frage nach der gerechten Arbeit nicht mehr stellt? Das eine radikale Revision des globalen Kapitalismus, seiner menschlichen Defizite und sozialen Zerstörungen aufgegeben hat, ohne ihn zu zivilisieren und demokratiefähig zu machen? Die Mehrheit der abhängig Beschäftigten scheint sich mit den gesellschaftlichen Machtverhältnissen abgefunden zu haben. Vor allem mit der betriebswirtschaftlichen Logik, nach der der Beitrag des Arbeits-, Gesellschafts- und Umweltvermögens zur unternehmerischen Wertschöpfung ausschließlich als Kostenfaktor definiert wird, den es zu minimieren gilt, während der Beitrag des Kapitals als Gewinn ausgewiesen wird, den es zu maximieren gilt. Die Kapitaleigner bestimmen den Technikeinsatz und die Arbeitsorganisation, bemächtigen sich der gesellschaftlichen und natürlichen Ressourcen und "gewinnen", während sich alle anderen einem fremden Willen unterzuordnen haben und "kosten".

Diese Schieflage der Macht im kapitalistischen Unternehmen überträgt sich auf die Arbeitsmärkte. Erst durch den solidarischen Zusammenschluss gewinnen die einzelnen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen eine halbwegs gleiche Verhandlungsmacht und können auf "gleicher Augenhöhe" verhandeln. Erst dann besteht überhaupt die Chance, gerechte Arbeit und damit auch "gute Arbeit" durchzusetzen.

In den meisten Verfassungen sind die bürgerlichen Freiheitsrechte derer, die Vermögen haben, komfortabel gesichert: die Handlungs-, Gewerbe- und Vertragsfreiheit und das Recht am Privateigentum. Für diejenigen, die kein Kapital haben, sondern ausschließlich darauf angewiesen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen, um den Lebensunterhalt zu verdienen, hat der Sozialstaat Schranken gegen die Vermarktung menschlicher Arbeit errichtet - durch das individuelle und das kollektive Arbeitsrecht, vor allem durch den Tarifvertrag. Seitdem der aber diffamiert wird, hat sich die Schere der Primäreinkommen massiv geöffnet. Seitdem die Regierenden die solidarischen Sicherungssysteme deformiert haben, ist die kollektive Verhandlungsmacht der abhängig Beschäftigten brüchig. In ungerechten Verhältnissen wird somit auch "gute Arbeit" zur fernen Illusion.

Die Kapitaleigner "gewinnen", während sich alle anderen einem fremden Willen unterzuordnen haben und "kosten"