Stiftung will viel Geld verdienen

Die Bertelsmann-Stiftung stellt den Staat als verkrustet dar und bietet sich selbst als Problemlöserin an. ver.di und attac informieren über die dahinter stehenden Interessen

Karsten Arendt ist Personalratsvorsitzender der Kreisverwaltung Offenbach

ver.di PUBLIK | ver.di, attac und andere veranstalten einen Kongress zum Thema Bertelsmann. Warum?

Arendt | Die Bertelsmann-Stiftung vertritt die Ideologie, dass der Staat und insbesondere der Sozialstaat zurückgedrängt werden müssen. Private Unternehmen können angeblich sowieso alles viel besser und billiger machen. Deshalb stellt die Bertelsmann-Stiftung den Staat und seine Verwaltung permanent als verkrustet, ineffizient, teuer und bürgerfeindlich dar. Wir wollen aufklären, welches Interesse dahinter steckt.

ver.di PUBLIK | Viele Stiftungen vertreten solche Positionen. Was ist das Besondere an Bertelsmann?

Arendt | Die Bertelsmann Stiftung ist die größte ihrer Art mit einem Etat von jährlich 60 Millionen Euro. Zugleich hält sie 70 Prozent des Bertelsmann-Konzerns. Dem gehören ja nicht nur mehrere Fernsehsender wie RTL und Vox, sondern auch der Gruner & Jahr-Verlag mit Titeln wie Stern, Brigitte und Financial Times Deutschland; insofern spielt Bertelsmann für die öffentliche Meinung in Deutschland eine überragende Rolle. Mit dem Tochterunternehmen Arvato verfolgt Bertelsmann seit ein paar Jahren auch ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse: Arvato soll öffentliche Verwaltungen übernehmen und damit Geld verdienen.

ver.di PUBLIK | Wie geht die Stiftung vor?

Arendt | Die Bertelsmann Stiftung tut so, als ob sie am Gemeinwohl interessiert sei. Angriffe auf den "Wohlfahrtsstaat" kommen als populistische Bürokratiekritik daher. Gleichzeitig vermittelt sie den Eindruck, als habe sie die Lösung für alle Probleme in der Tasche. Hierbei ist die öffentliche Verwaltung nur eins von vielen Themenfeldern, die von der Stiftung besetzt werden.

ver.di PUBLIK | Bitte geben Sie ein konkretes Beispiel.

Arendt | Bertelsmann macht auf kommunalpolitischer Ebene seit längerem alle möglichen Angebote zur "Unterstützung" von Politik und Verwaltungen. Anfang der Neunziger begann die Verwaltungsreform unter dem Schlagwort "neues Steuerungsmodell": Unternehmerisch orientierte Handlungsweisen sollten in die öffentlichen Verwaltungen eingeführt werden - und Bertelsmann hat da mit Forschung, Modellprojekten und Vorschlägen intensiv mitgemischt. Eine Konsequenz ist, dass Städte und Gemeinden ab 2009 ihren Haushalt wie normale Wirtschaftsbetriebe bilanzieren müssen. Das bietet für private Unternehmen den Vorteil, dass sie ablesen können, welche Bereiche besonders profitträchtig sind und welche nicht.

ver.di PUBLIK | Wer beauftragt Bertelsmann in solchen Fällen?

Arendt | Bertelsmann bietet auf der Ebene der Politik solche Dienste an. Ziel ist es, sich in der Politik als hochkompetenter Löser von Problemen darzustellen, mit denen Verwaltung und Politik angeblich überfordert sind.

ver.di PUBLIK | Die ver.di-Bundesfachbereichskonferenz-Gemeinden hat auf Ihren Antrag hin einen Beschluss zum Thema Bertelsmann gefasst. Was bedeutet das?

Arendt | Zumindest der ver.di-Fachbereich Gemeinden wird bis auf weiteres keine Kongresse und Veranstaltungen mit der Bertelsmann-Stiftung mehr durchführen.

ver.di PUBLIK | Wieso hat ver.di vorher überhaupt mit der Bertelsmann Stiftung kooperiert?

Arendt | In den neunziger Jahren hat die ÖTV unter anderem bei ihrem Projekt "Zukunft öffent-liche Dienste" mit der Stiftung zusammengearbeitet. Damals gab es noch wenig Berührungsängste, und ich vermute, dass sich einige persönliche Kontakte einfach fortgesetzt haben. Bevor Bertelsmann mit der Firma Avarto ein unmittelbares Marktinteresse hatte, war es auch schwerer zu durchschauen, was dahinter steckt. Das ist jetzt anders.Interview: Annette Jensen

Der Kongress "Das Schattenkabinett aus Gütersloh" findet am 27. Oktober von 10 bis 18 Uhr in Frankfurt/Main statt. Beteiligt sind neben attac und ver.di ein gutes Dutzend anderer Organisationen. www.attac.de/frankfurt