Petra Oelker, Schriftstellerin, ver.di-Mitglied, bekannt durch ihre Krimis, im Gespräch

Die historischen Kriminalromane von Petra Oelker spielen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die beiden Heldinnen sind starke Frauen aus gegensätzlichen Milieus. Zusammen mit dem Hamburger Polizeichef klären sie Morde auf, die die großbürgerlichen Kaufleute wie die einfachen Leute erschüttern.

Petra Oelker, 1947 im Emsland geboren, lebt seit 35 Jahren in Hamburg. Im Dezember erscheint ihr Kriminalroman "Tod auf dem Jakobsweg".

ver.di PUBLIK | Wie ist eigentlich Dein Verhältnis zur Gewerkschaft?

Petra Oelker | Nicht mehr ganz einfach. Wir Schriftsteller sind ja Individualisten und gelten in Gewerkschaftskreisen eher als Exoten. Es gab - ausgehend von Bremen - jüngst sogar Bestrebungen, Strukturen außerhalb von ver.di zu schaffen. Aber natürlich sind Gewerkschaften nach wie vor unverzichtbar. Nur für mich persönlich hat die Mitgliedschaft nicht mehr die große Bedeutung.

ver.di PUBLIK | Wie bist Du zur Autorin geworden?

Oelker | Nach Realschule und Höherer Handelsschule war ich medizinisch-technische Assistentin. In den 70er Jahren habe ich dann Sozialarbeit studiert und im Karo-Viertel und bei der Jugendhilfe in Billstedt gearbeitet, in einem sozialen Brennpunkt, wie man heute sagt. Danach habe ich ein Jura-Studium begonnen, aber nach vier Semestern abgebrochen und wieder als Sozialarbeiterin gearbeitet. Schließlich habe ich noch Berufs- und Diplompädagogik studiert und im Nebenfach Psychologie und einige Semester Theologie "mitgenommen".

ver.di PUBLIK | Das wirkt nicht sehr geradlinig.

Oelker | Stimmt! In den 70ern ging es mir wie vielen anderen darum, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern. Aber schon damals tauchten bei mir Fragen auf, die darüber hinausgingen: nach den Ursprüngen von Werten und Traditionen, die unseren Umgang und unser Verhalten prägen. Auch Glaubensfragen. Die haben mich in meiner schriftstellerischen Tätigkeit, nach Jahren als Journalistin, zur Auseinandersetzung mit dem 18. Jahrhundert geführt. Das war eine Zeit des Umbruchs, in der die Religion den Alltag der Menschen noch sehr stark prägte. Ich war offensichtlich viele Jahre auf der Suche, bis ich meinen Beruf und mein Thema gefunden hatte.

ver.di PUBLIK | Wie entstehen Deine Bücher?

Oelker | Ich verbringe viel Zeit in Bibliotheken und Archiven, um Material zusammenzutragen und zu sichten. Besonders faszinieren mich Sozial- und Kulturgeschichte und die Entwicklung zum bürgerlichen Theater. Eine meiner Heldinnen ist als Schauspielerin mit einer reisenden Theatertruppe unterwegs. Ich frage mich: Wie ändern sich Rolle und Ansehen von Schauspielern? Was bedeuten die gesellschaftlichen Umwälzungen jener Zeit? Wenn ich genügend Material zusammen und den Plot für eine Geschichte im Kopf habe, folgt eine vier-, bis fünfmonatige intensive Schreibphase. In dieser Phase bewege ich mich in meiner Geschichte und verzichte weitgehend auf soziale Kontakte. Auch die notwendige Büroarbeit - Korrespondenz, Finanzen etc. - wird aufs Nötigste reduziert. Ebenso die Lesungen. Das ungestörte Schreiben hat dann Vorrang.

ver.di PUBLIK | Was ermöglicht Dir die Schrift-stellerei?

Oelker | Meine Arbeit eröffnet mir ein großes Maß an persönlicher Freiheit. Ich fühle mich privilegiert. Meine Neigungen und Interessen, die Verarbeitung meiner Erfahrungen, das alles stößt beim Lesepublikum auf so großes Interesse, dass ich mein Leben davon bestreiten kann. Was will ich mehr? Ich selbst finde meine Bücher allerdings alles andere als perfekt.

ver.di PUBLIK | Siehst Du Dich als öffentliche Person?

Oelker | Nein. Es gibt sehr viel wichtigere und bedeutendere Leute. Tatsächlich stehe ich ungern in der Öffentlichkeit. Für mich gehören die Auftritte zum Job: Ganz ohne Eigenwerbung geht es nicht. Daher habe ich lange gezögert, meinen "Promi-Status" für das Thema Volksabstimmung einspannen zu lassen. Erst der Umgang des Senats mit den Abstimmungsergebnissen und das Gespräch mit ver.di haben mich vom Gegenteil überzeugt. Die Politik ist für mich schwierig geworden, selbst in Hamburg. Was ist das für eine bekloppte Welt, in der öffentliche Bibliotheken geschlossen und - wie in Mümmelmannsberg - Schulbibliotheken verkleinert werden, während Politiker in ihren Reden die Bedeutung von Wissen und Bildung hochhalten? Es gibt eine Flut von Informationen - ich frage mich, wie junge Menschen bei komplexen Sachverhalten angemessene Antworten finden sollen. Mir hilft zum Glück meine 60-jährige Lebenserfahrung.Interview:Wolfgang Rose, Jörg-Dieter Bischke-Pergande