Patientendaten besser aufbereiten

Im Gemeinsamen Bundesausschuss streiten Krankenkassen, Kliniken und Patientenvertreter darum, ob die Bertelsmann-Stiftung die Qualitätsberichte der Klinken veröffentlichen darf

Wer zur Behandlung ins Krankenhaus muss, hatte bislang in Deutschland kaum Anhaltspunkte, ob die Klinik nebenan die richtige für seinen Fall ist, oder ob die Behandlung dort gar zu wünschen übrig lässt. Dieser Wissenslücke sollte durch Qualitätsberichte abgeholfen werden. Seit 2003 sind die Kliniken verpflichtet, regelmäßig Berichte über ihre Arbeit an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zu liefern, in dem Vertreter der Kassen, Kliniken, Ärzte und Patienten sitzen. Doch kaum sollen diese Daten allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich gemacht werden, gibt es schon Streit. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Herausgabe des vollständigen Materials an mehrere Patientenverbände, darunter der Sozialverband Deutschland (SoVD) und die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), verweigert.

Leicht verständlich

Der Grund: Diese Patientenverbände wollen gemeinsam mit der umstrittenen Bertelsmann-Stiftung ein Internet-Portal anbieten, das die Klinikdaten "leicht verständlich, vergleichbar und nutzerfreundlich aufbereitet", wie es beim SoVD heißt. Die Stiftung jedoch gilt der Mehrheit im Gemeinsamen Bundesausschuss als "kommerzieller Anbieter", zu wenig unabhängig vom Konzern Bertelsmann. "Gravierende rechtliche Vorbehalte" hätten dazu geführt, dass der G-BA sich nicht entschließen konnte, zum jetzigen Zeitpunkt die Daten uneingeschränkt an alle Patientenvertretungen weiterzugeben. Daten, "die schließlich allen Beitragszahlern der Gesetzlichen Krankenversicherung gehören", sagt Michael-Jürgen Polonius, unparteiischer Vorsitzender des G-BA für den Krankenhausbereich. Denn die Daten würden nach den jetzigen Verträgen in den Besitz der Bertelsmann-Stiftung übergehen, sobald das Portal online ginge.

Da die "Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen und -Initiativen" (BAGP) sich nicht an dem Online-Projekt mit der Bertelsmann Stiftung beteiligt, hat der G-BA ihr nun die vollständigen Klinikdaten ausgehändigt. "Für uns waren die Verwertungsinteressen des Konzerns offensichtlich", begründet Gregor Bornes, Sprecher der BAGP, den Alleingang.

"Die Behauptung, die gemeinnützige Bertelsmann-Stiftung sei kommerziell, wäre erst einmal zu belegen", sagt dagegen Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte bei der Verbraucherzentrale Bundesverband. Die an dem Projekt beteiligten Patientenvertreter hätten sich bewusst für "einen starken Partner entschieden, der nicht unter dem Einfluss der üblichen Akteure im Gesundheitswesen steht". Ingo Heberlein, Patientenvertreter des SoVD im Gemeinsamen Bundesausschuss fordert nun das Bundesgesundheitsministerium auf, dafür zu sorgen, "dass eine unabhängige Veröffentlichung und Auswertung der Qualitätsberichte möglich wird".

Beim Bundesgesundheitsministerium indes gibt man sich zugeknöpft, was den Konflikt anbelangt. "Wir können dem Gemeinsamen Bundesausschuss nichts vorschreiben", sagt eine Sprecherin. Aber grundsätzlich sei das Ministerium an "einer einvernehmlichen Lösung interessiert".

Stiftung ist gesprächsbereit

Die könnte bald gefunden werden: Derzeit verhandeln die Patientenvertreter, die mit der Bertelsmann-Stiftung die Kooperationsvereinbarung unterschrieben haben, erneut über die Verträge. "Die Stiftung zeigt sich durchaus gesprächsbereit", sagt Etgeton von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Das jedoch, meint Bornes von der kritischen BAGP, "zeigt nur, wie angewiesen die Stiftung auf die Datensätze ist". Die Patient/innenstellen suchen nun "nach einem Partner im öffentlichen Bereich, mit dem wir ein unabhängiges Internet-Portal aufbauen können". Dies könnte etwa eine Universität sein. Allerdings: Der Aufbau einer solchen Klinikdatenbank kann nach Expertenschätzung rund drei Millionen Euro kosten.

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