Ausgabe 01/2008-02
Zwei Quadratmeter Deutschland
Von Anika Meier* |Vom Arbeitsalltag in Kindertagesstätten - Personalmangel, kaum Platz und wenig Geld. Ein Erfahrungsbericht
Nachmittags-Brotzeit in einer Kindertagesstätte
München | Das erste, was fast jede und jeder mittlerweile schon einmal über die Arbeit in Kindertagesstätten gehört hat, ist die schlechte Entlohnung. Nach dem Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD) wird eine Erzieherin oder ein Erzieher in Entgeltgruppe 6 eingruppiert. Das sind in den ersten Jahren in einer Einrichtung etwa 2000 Euro brutto. Bei einem Wechsel zu einem anderen Träger ändert sich diese Summe auch nicht. Bedenkt man außerdem die vielen Teilzeitstellen in diesem Bereich, dürfte den meisten Erzieher/innen der Lohn nicht zum Leben reichen.
Wer außerhalb des Öffentlichen Dienstes eine Stelle gefunden hat, schaut in der Regel noch dümmer aus der Wäsche. Zuschläge und Zulagen sind hier meist geringer oder fehlen gänzlich. In Elterninitiativen - in solch einer Einrichtung habe auch ich meinen Arbeitsplatz - arbeiten wir beispielsweise an Elternabenden nicht selten bis 24 Uhr ohne jeden Zuschlag. Der einzige, allerdings nicht sehr solidarische, Lohnzuschlag, die Leistungszulage, findet in manchem Arbeitsvertrag von Elterninitiativen ebenfalls keine Aufnahme.
Bei Elterninitiativen zählt flexible Arbeit zur Tradition
Auch sonst sind die Arbeitsbedingungen nicht rosig. In den meisten Elterninitiativen ist es Tradition, dass bei Bedarf sehr flexibel gearbeitet wird. Ist eine Kollegin krank, so wird der Arbeitsalltag von den anderen (soweit vorhanden, denn Elterninitiativen sind meist kleine Klitschen) bestritten, teils allein und unter Anhäufung vieler Überstunden. Der Abbau der Überstunden bedeutet für die anderen Kolleginnen und Kollegen wieder flexible Arbeitszeit und Überstunden, ganz zu schweigen von der zusätzlichen Belastung, die Gruppe allein zu "schmeißen". Ich denke allerdings, dass es in städtischen Kindergärten oder Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände nicht wesentlich anders aussieht. Denn mit zwei vollen Stellen bei 25 Kindern ist der Personalmangel offensichtlich - trotz Springern im städtischen Bereich.
Aber nicht nur die Überstunden sind es, auch die Arbeitsbelastung nimmt zu, je weniger Personal vorhanden ist. Das umso mehr, als wir aufgrund fehlender Finanzierung und zunehmend weniger dafür zur Verfügung gestellter Stunden kaum Möglichkeiten zur Fortbildung haben. Wir können mit dem vorhandenen geringen Personalaufwand und mangelnder Weiterqualifizierung weder dem vorgeschriebenen Bayerischen Erziehungs- und Bildungsplan mit seinem enormen zusätzlichen Verwaltungsaufwand gerecht werden, noch unseren Körper dauerhaft arbeitsfähig halten. Denn viele Kinder auf wenig Raum, mehr Arbeitsverdichtung und zu geringe Arbeitsstundenkontingente bedeuten eine unglaublich hohe Lärmbelastung und nervliche Anspannung.
In derartigen Situationen sind Überlastungen und gesundheitliche Probleme programmiert. Ich komme immer wieder von der Arbeit und bin nicht in der Lage, mit Freunden in eine Kneipe zu gehen oder zu Hause ein gemeinsames Abendessen abzuhalten. Lärm ist nach meinem Arbeitstag regelmäßig nicht mehr zu ertragen.
Kein Platz und keine Zeit für Kinder
Aber auch den Bedürfnissen der Kinder nach Individualität und Bewegung können wir unter solchen Bedingungen nicht gerecht werden. Die nötige Bewegung scheitert bereits an den räumlichen Gegebenheiten. Je Kind sind in Kindertagesstätten zwei Quadratmeter vorgesehen. Das ist eindeutig zu wenig.
*Name von der Redaktion geändert