Aus dem Leben eines Streiks

Es geht nicht nur um unsere Haut | In Deutschland wird wieder gestreikt, sehr viel mehr als in den vergangenen Jahren. Der Konjunkturmotor brummt ohne zu stocken, die Gewinne der Unternehmen steigen - da möchten die Beschäftigten nicht leer ausgehen. Und wenn dann ein millionenschwerer Konzern wie Nokia mal eben ein Werk in Bochum schließt, dann wissen die Werksbeschäftigten auch den Rest der Bevölkerung an ihrer Seite. Davon träumten auch die rund 600 Beschäftigten des Bosch-Siemens-Hausgeräte-Werks in Berlin-Spandau im Herbst 2006. Der Doku-Filmer Holger Wegemann begleitete ihren knapp zweimonatigen Protest und Streik gegen die Schließungsankündigung. Herausgekommen ist dabei ein einfühlsames Dokument aus dem Leben eines Streiks. Angefangen mit der euphorischen Stimmung auf der Belegschaftsversammlung in einer alten Lagerhalle, die 16 Tage dauerte und damit alle Rekorde schlug, bis zum Aufbruch zum Solidaritätsmarsch gen München zum Siemens-Hauptsitz.

Selbst Kollegen, die sich schon aufs Ende mit einer Abfindung und später Hartz IV arrangiert hatten, lassen sich auf einmal mitreißen. Die IG-Metall-Gewerkschafter bauen ein Streikzelt auf, organisieren Busse für die Soli-Tour, und sogar Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit lässt sich durch die Barrikaden am Werkstor einschleusen und läuft später die ersten Kilometer hinter Banner tragenden Frauen mit. Alle sind berauscht von der Rettung ihrer Arbeitsplätze. Der Betriebsratsvorsitzende ist sich sicher, eine soziale Bewegung im ganzen Land loszutreten. Die Ernüchterung kommt, als während des Marsches durchs Land vor Ort weiter verhandelt wird. Das Ergebnis - keine Schließung, aber Abbau von 167 Arbeitsplätzen und 20 Prozent weniger Lohn - mündet zunächst in Resignation und schlägt schließlich in Wut um. Vor allem auf die Gewerkschaftssekretäre und später auch auf das Drittel der Beschäftigten, die dem Ergebnis zustimmen, womit es angenommen ist.

Ganz am Anfang hatte der türkische Betriebsratsvorsitzende skandiert: "Es geht nicht nur um unsere Haut." Alle Arbeiter Deutschlands wollte er auf der Straße vereinen. Am Ende fehlen dem kämpferischen Türken die Worte und auch der Elan, den Unmut der meisten zu kanalisieren. Sie haben ihr Werk gerettet, vorläufig. Freuen mag sich darüber niemand.

PETRA WELZEL

KAMERA/BUCH HOLGER WEGEMANN, DVD, 81 MINUTEN, ZU BESTELLEN UNTER WWW.VIDEOWERKSTATT.DE, 15 €


Jesus Christus Erlöser | Als ewiger Psychopath in Edgar-Wallace-Krimis, als Nosferatu oder Graf Dracula wurde Klaus Kinski einem Millionenpublikum bekannt. Eines seiner bedeutendsten Vermächtnisse geriet jedoch in Vergessenheit: ein grandios gescheiterter Rezitationsabend in der Berliner Deutschlandhalle im Jahr 1971. Zehn Jahre lang hat der Exzentriker an einem Monolog gearbeitet, der sehr eigenwillig zwischen biblischer Passionsgeschichte und aktuellen Fragen der Zeit eine Brücke schlägt. "Was muss ich tun, um dir nachzufolgen, fragt der Papst." Kinskis Jesus brüllt: "Halt's Maul und folge mir nach!" Nicht alle Zuschauer aber wollen sich belehren lassen. Sie besteigen die Bühne, um über Kinskis Kapitalismuskritik zu diskutieren, und provozieren den selbsternannten Messias. Kinski bricht mehrmals ab, rügt seine Kritiker, verlässt gar die Bühne, kehrt aber wieder zurück, bis er schließlich das "Gesindel" davonjagt. Am Ende wird seine Sehnsucht nach Verständigung aber doch noch real, als ihm in nächtlicher Stunde im Freien ein kleiner Pulk aufmerksam lauscht. Einfach unglaublich, welche Energien in diesem Künstler steckten, der zwar bisweilen an eigene Widersprüche stieß, zugleich aber noch heute für sich einnimmt mit seinem starken Willen, die Welt zu verbessern.

KL

D 2007, R: PETER GEYER, D: KLAUS KINSKI, 84 MIN., KINOSTART 17.4.08


Knut und seine Freunde | Knut tut gut, heißt es. Und das bestätigt dieser Film, auch wenn viele Bilder aus dem Fernsehen bekannt sind. Man möchte das süße Eisbärenkind am liebsten knuddeln, wenn es am Fläschchen nuckelt, im Wasser planscht, sich souverän der Öffentlichkeit zeigt, seinen Vater durch eine Panzerscheibe anstaunt oder mit seinem fürsorglichen Betreuer Thomas Dörflein schwimmen lernt, zumal dieser Film mehr Raum für Details gibt. Oberstes Anliegen aber ist der Klimaschutz: Knuts prächtige Entwicklung kontrastiert mit dem harten Lebenskampf seiner Artgenossen in der freien Wildbahn. Die ebenfalls mutterlosen, im Jagen noch etwas ungeübten, Braunbärengeschwister Masha und Pasha müssen sich allein in Weißrussland durchschlagen und leiden ständig großen Hunger. Und auf dem schmelzenden Packeis in der Arktis wendet die Eisbärin Maidu ihre ganze Kraft dafür auf, ihren Nachwuchs durchzubringen. Trotz der unterschiedlichen Lebensräume ähneln sich die Probleme der Tiere. Maidus drei Pelzknäule sind ebenso niedlich wie Knut, aber eines ist zu schwach und stirbt nach wenigen Wochen. Zum Glück ist das aber der einzige traurige Moment eines umweltpolitisch ambitionierten, sympathischen Wohlfühlfilms.

KL

D 2007, R: MICHAEL JOHNSON, DOKUMENTATION, 90 MIN., KINOSTART 6.3.08