Den Integrationsämtern brechen die Einnahmen weg. Daher wird es immer schwieriger, behinderten Menschen die Eingliederung ins Berufsleben zu erleichtern

Unter rheumatischen Beschwerden leidet eine Mitarbeiterin des Klinikums Kempten-Oberallgäu. Dass sie weiter arbeiten kann, verdankt sie einer so genannten Arbeitsassistenz. Eine Kollegin hat ihre Arbeitzeit aufgestockt, übernimmt die Feinarbeiten für die Frau. Bezahlt wird diese Aufstockung vom zuständigen Integrationsamt. Denn nur so kann die schwerbehinderte Frau weiter berufstätig sein.

Doch vor einem Jahr kam dieses Modell ins Stocken. Lange Zeit war unklar, ob das Amt die Gelder weiter bewilligt. "Wir haben erheblichen Druck ausgeübt, damit die Zahlungen weiter fließen", erinnert sich Andrea Wegscheider, Vertrauensperson der Schwerbehinderten in dem Klinikum. Letztendlich hatten sie Erfolg. Ein Extremfall, sagt sie. Aber kein Einzelfall.

Den Integrationsämtern brechen bundesweit die Mittel aus der Ausgleichsabgabe weg, durch die sie sich finanzieren. Die Abgabe müssen Arbeitgeber zahlen, wenn sie weniger Schwerbehinderte beschäftigten als ihnen gesetzlich vorgeschrieben ist. Im Jahr 2000 schraubte die damalige rot-grüne Bundesregierung die Bedingungen herunter. Jetzt müssen in Betrieben mit mehr als 20 Mitarbeitern nur noch fünf statt bisher sechs Prozent der Beschäftigten schwerbehindert sein. Hinzu kommt eine Staffelung sowie eine großzügigere Anrechnung von mehrfach Behinderten.

Die Folge: Die Einnahmen sanken von 610 Millionen Euro in 2003 auf 470 Millionen Euro in 2006. Doch die Integrationsämter finanzieren - nach ihrem Ermessen - Teilhabeleistungen und begleitende Hilfen ausschließlich aus diesen Geldern. Dazu zählen nicht nur Arbeitsassistenzen, sondern auch technische Hilfen (zum Beispiel große Bildschirme oder Bildtelefone) und Eingliederungszuschüsse. Die Maßnahmen sind individuell auf die Bedürfnisse des Einzelnen zugeschnitten.

In der Privatwirtschaft sieht es düster aus

"Diese Zuschüsse wurden deutlich zurückgefahren", hat Bernhard Huber beobachtet, Gesamtschwerbehindertenvertrauensperson der Landeshauptstadt München. Übernahm das Integrationsamt früher bei Hilfsmitteln durchschnittlich 90 Prozent, seien es heute teilweise zwischen 50 und 60 Prozent. Die Landeshauptstadt gleiche die Differenz aus. "In anderen Gemeinden, die nicht so finanzstark sind, sieht es düsterer aus", sagt Huber, der zugleich Vorsitzender des ver.di-Arbeitskreises Behindertenpolitik in Bayern ist. Und in der Privatwirtschaft sei es um ein Vielfaches dramatischer: Habe man die Arbeitgeber dort früher mit Lohn- und Ausstattungszuschüssen ködern können, Schwerbehinderte zu beschäftigen, breche diese Möglichkeit immer weiter ein.

Die Arbeitslosenquote unter Menschen mit Behinderungen lag bundesweit 2006 bei 17,8 Prozent. Das heißt knapp 200000 Menschen. Das Ziel der rot-grünen Bundesregierung, die Arbeitslosigkeit durch die Reform zu senken, wurde nicht erreicht. Zwar frohlockte der damalige Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) im Sommer 2007 in einer Bundestagsdrucksache, der wirtschaftliche Aufschwung schlage sich seit Jahresbeginn auch in den sinkenden Arbeitslosenzahlen Schwerbehinderter nieder. Vergleicht man die Werte vom Mai 2007 jedoch mit denen des Vorjahresmonats, beträgt der Rückgang 1,3 Prozent. Nimmt man die allgemeine Arbeitslosenzahl, waren es in diesem Zeitraum 16,1 Prozent weniger.

Die Probleme sind oft hausgemacht

In vielen Betrieben geht es weniger um die Neueinstellung Schwerbehinderter. "Bei uns gibt es viele psychische Erkrankungen und Wirbelsäulenprobleme", sagt Andrea Wegscheider. "Hausgemachte Probleme" seien das - aber es werde immer schwieriger, die Betroffenen im Haus zu halten: "Im Arbeitsleben wird immer weniger toleriert, dass Minderleistung da ist."

Da wären Hilfen der Integrationsämter umso wichtiger. Deswegen spricht ver.di sich dafür aus, zumindest die alten Anrechnungsregelungen wiederherzustellen und die Ausgleichsabgabe deutlich anzuheben. Damit wieder mehr Geld da ist, um Menschen mit Behinderungen zu ihrem Recht auf Teilhabe am Arbeitsleben zu verhelfen.HEIKE LANGENBERG

http://sozialpolitik.verdi.de/schwerbehinderten-_vertretung_und_teilhabepolitik