Ausgabe 04/2008
Zwei Klassen von Azubis?
Aktive Mitbestimmung in Bremen: Jugendliche erleben Tarifverhandlungen
Die Ausbildungsgesellschaft Bremen (ABiG) ist eine Tochter der Hansestadt. Sie organisiert die praktische Ausbildung in Werkstätten, Büros und Laboratorien des bremischen öffentlichen Dienstes sowie in Betrieben der Wirtschaft. 631 junge Menschen haben hier einen Ausbildungsvertrag. Trotzdem gelten keine Tarifverträge, die Azubis erhalten rund 30 Prozent weniger Vergütung als im öffentlichen Dienst.
Obwohl reine Ausbildungsbetriebe laut Bundesarbeitsgericht weder einen Betriebsrat noch eine Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) wählen dürfen, schloss ver.di mit dem Kommunalen Arbeitgeberverband einen Tarifvertrag zur Mitbestimmung ab. Danach kann eine Interessensvertretung mit gleichen Rechten wie eine JAV gewählt werden. Vor allem aber bei der Vergütung stockten die Verhandlungen.
ver.di PUBLIK | Wie seid ihr in die Tarifkommission gelangt?
Marvin Prieser (16): Wir hatten eine Versammlung mit allen Azubis, die ihre Ausbildung an der Uni Bremen machen. Als wir gefragt wurden, wer Lust hat, mit dabei zu sein, wenn's um uns geht, hab ich mich gemeldet. Ich will die Sache nun selbst in die Hand nehmen.
ver.di PUBLIK | Wie beurteilt ihr die Arbeit der Tarifkommission?
Tobias Brattumil (18): Das ist schon sehr interessant, auch für die Zukunft. Ich bekomme da Einblicke in die Politik.
Tobias Fritz (22): Das ist eine tolle Erfahrung. Man spricht bei den Verhandlungen mit Entscheidungsträgern. Schließlich geht es um unsere Zukunft.
ver.di PUBLIK | Wie habt ihr die Verhandlungen erlebt?
Tobias B.: In der ersten Runde waren die Arbeitgeber noch sehr zuvorkommend. Ich glaube, die wollten uns beruhigen, damit wir auf der großen Versammlung aller Azubis der ABiG nicht zu viel Stimmung machen. Am zweiten Verhandlungstag haben die dann ihre wahren Absichten gezeigt. Eine Stunde Selbstbeweihräucherung und dann eine Stunde Selbstmitleid.
ver.di PUBLIK | Würdet ihr euch wieder wählen lassen?
Tobias F.: Klar. Das ist eine Abwechslung zum Berufsleben, und man kann in die Politik reinschnuppern.
ver.di PUBLIK | Wie geht es eurer Einschätzung nach weiter?
Tobias B.: Da stehen noch schwere Verhandlungen bevor. Wir werden wohl nur Teileinigungen bekommen, aber wir organisieren Öffentlichkeitsarbeit und werden neue Leute ansprechen, damit die uns auch unterstützen.
ver.di PUBLIK | Habt ihr eine Botschaft für die Arbeitgeber?
Marvin: Die sollten sich mal überlegen, wie man mit dem bisschen Geld zurecht kommen soll, wenn man nicht mehr zu Hause wohnen kann und eine eigene Wohnung braucht.