Einmal ist immer das erste Mal. Drei Streikneulinge aus drei verschiedenen Branchen schildern ihre Erfahrungen mit dem Arbeitskampf

Gemeinsam streikt es sich besser

VON HEINRICH BIRNER UND ERNST EDHOFER

München | Janina Lachner ist voller Tatendrang. 28 Jahre ist sie alt und seit acht Jahren Kinderpflegerin. Sie mag ihren Beruf, und sie mag die Kinder. In diesem Frühjahr hat sie zweimal einen ganzen Tag lang gestreikt. "Wir wollen alle was verändern, bessere Voraussetzungen für unseren Beruf schaffen. Wir wollen nicht die sozialen Deppen sein", sagt sie.

"An beiden Streiktagen war unser Haus komplett geschlossen", sagt Janina. "Alle Berufsgruppen, Kinderpflegerinnen, Erzieherinnen, Küchenkräfte und auch die Leiterinnen sind in den Streik getreten. Sogar die Unorganisierten haben mitgestreikt." Hatte sie Bedenken bei ihrem allerersten Streik? "Nein, ich hatte keine Angst. Wir waren doch abgesichert durch ver.di. Was sollten sie uns denn anhaben?" In die Gewerkschaft eingetreten ist Janina Lachner im Januar 2008 und sie macht auch jetzt nach dem Tarifabschluss weiter und engagiert sich mit ver.di.

Was hat sie besonders gefreut? "Das wahnsinnig tolle Gefühl, dass wir bei den Kundgebungen so viele Leute waren." Und was hat sie geärgert? "Viele Kolleginnen sind nach der Mitgliederbefragung wieder in den Alltagstrott zurückgefallen. Die Euphorie ist abgeflaut. Dabei müssen wir doch weitermachen. Jetzt geht es um unsere Eingruppierung. Und wenn es uns gelingen sollte, zu einer wöchentlichen Arbeitszeitver- kürzung von einer halben Stunde zu kommen, dann wäre das super."

Der Postzusteller David Merck (33) war am 1. April zum ersten Mal bei einem Streik dabei. Seit neun Jahren ist er bei der Post und engagiert sich auch als Vertrauensmann für ver.di: "Zustellen liebe ich, Regen macht mir nichts aus. Aber der Lohn und die Arbeitszeit müssen auch passen."

Das Verhältnis Leistung und Gegenleistung stimmt nicht mehr, meint David. Er arbeitet 38,5 Stunden pro Woche und bekommt dafür 1200 Euro netto. Mit einem Nebenjob hält er sich finanziell über Wasser. "Die Leistungsschraube wird immer stärker angedreht. Wir müssen immer mehr Sendungen zustellen, manchmal bis sechs Uhr abends. An Samstagen muss ich das Fahrrad oft sechsmal neu beladen."

"Es hat mich gefreut, dass alle mitgemacht haben", sagt David, "auch manche, die sonst gern auf die Gewerkschaft schimpfen. Auch die haben begriffen, dass die Gewerkschaft uns Kraft gibt, damit wir uns wehren können." Ein bisschen mulmig war ihm am Anfang schon zumute: "Es ist beruhigend, dass keinem wegen der Streikteilnahme gekündigt werden kann. Aber Mut gehört dennoch dazu." Die Streikbereitschaft bei den Postlern sei besonders groß, seit es gelungen ist, den Mindestlohn durchzusetzen und Änderungskündigungen der Verteilerinnen abzuwenden. Seither seien die Beschäftigten beeindruckt, was alles mit Hilfe der Gewerkschaft erreicht werden kann.

Anna Repina (28) ist Kassiererin im Modegeschäft Zara. Sie hat einen Teilzeitvertrag mit 30 Stunden und ist Betriebsratsvorsitzende. Ende Februar hat sich die Zara-Filiale am Einzelhandelsstreik beteiligt. 30 Prozent der Frühschicht sind dem Streikaufruf gefolgt. Der erste Streik in Annas Leben. "Für mich war das nicht so dramatisch", sagt sie. "Ich weiß mich zu wehren."

Streikfoto für die Kunden

Was hat sie am meisten beeindruckt? "Nach der Versammlung mit den vielen Streikenden aus den anderen Betrieben wollten meine Kolleginnen und Kollegen mit einem Transparent zurück zur Filiale, um dort ein Foto zu machen und sich den Kunden zu zeigen." Und was war unangenehm? "Das Wetter! Es hat durchgehend geregnet und es war richtig kalt." Beim nächsten Streik wird sie wieder dabei sein. "Weil es richtig ist, sich zu wehren!"