Kreisverbände wehren sich und wollen einen ver.di-Tarifvertrag erstreiten

Von Birgit Tragsdorf

Der Anfang ist gemacht. Kolleg/innen des Rettungsdienstes Borna haben einen ersten Warnstreik organisiert. Und das trotz massiver Einflussnahme der Geschäftsführung, bis hin zu deren Versuch, mit einer einstweiligen Verfügung den Streik zu unterbinden.

Es geht um einen neuen Tarifvertrag zwischen ver.di und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), nachdem das DRK in Sachsen im Jahre 2002 komplett mit seinen Kreisverbänden aus dem Flächentarif ausgestiegen ist. Damals wurde eine Tarifgemeinschaft gegründet und mit der Pseudogewerkschaft DHV, Deutscher Handels- und Industrieangestelltenverband, 2003 ein Tarifvertrag ausgehandelt. Das ver.di-Verhandlungsangebot hatten die Arbeitgeber abgelehnt.

Eine Mitgliederbasis hat der DHV im DRK jedoch nicht. Im Rettungsdienst Borna gibt es gar keine Mitglieder. Aber nicht nur bei den sozialen Diensten verhandeln Arbeitgeber mit Gewerkschaften, die auffallend wenig Mitglieder haben, über keine lokalen Gewerkschaftsstrukturen verfügen und außerhalb des DGB stehen. Im Handel ist es die AUB (Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger), bei der Bewachung und im privaten Personenverkehr die GÖD (Gewerkschaft öffentlicher Dienst), bei den Postdiensten die GNBZ (Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste). Diese Gewerkschaften fallen besonders auf durch ihre arbeitgeberfreundlichen Tarifverträge. "Gefälligkeitsgewerkschaften" nennt sie Gisela Mende, Fachbereichsleiterin Gesundheit und Soziale Dienste beim ver.di-Landesbezirk. Sie handeln ihre Tarifverträge zur Gefälligkeit der Arbeitgeber aus, haben also mehr deren Interessen im Auge als die der Beschäftigten.

Druck auf die Belegschaft

Die Tarifsituation in der Rettungsstelle Borna ist eine Katastrophe. Betriebsratsvorsitzender Frank Haubenreißer formuliert es so: "Es gab Druck auf die Belegschaft, den DHV-Tarifvertrag anzunehmen und dies im Arbeitsvertrag festzuschreiben." Auch wenn auf den ersten Blick eine leichte Tariferhöhung zustande kam, ist es eine Mogelpackung. Alle Regelungen sind Kann-Bestimmungen und nicht wie bei ver.di-Tarifverträgen Mindestansprüche. Das heißt im konkreten Fall: Es kann Urlaubs- und Weihnachtsgeld geben, muss es aber nicht. Die Nacht- und Wechseldienstzulagen fallen weg. Neu eingestellte Kolleg/innen werden bei gleichen Abschlüssen und gleichen Dienststellungen gehaltlich niedriger eingestuft. Und das bedeutet eine erheblich schlechtere Bezahlung. Die Vorgesetzten haben freie Hand, die Regelungen nach ihren Vorstellungen auszulegen. Die Belegschaft ist tariflich gespalten in die mit DHV-Abschlüssen und solche mit alten Tarifverträgen der ver.di aus dem Jahr 2002.

Die Stimmung ist deshalb gereizt. Die DRK-Bereiche im Leipziger Land werden immer zahlreicher zergliedert, ausgelagert, umgegründet. Es mutet eigenartig an, wie die Geschäftsführung Einfluss nimmt und gegen ihre eigenen Mitarbeiter vorgeht. Es kursieren Gerüchte über Korruption, Bestechung, Drohungen.

Einen Vertrag mit ver.di

Frank Haubenreißer erzählt, dass seine Kolleg/innen im Rettungsdienst Borna die Nase voll haben und etwas ändern wollen. Ihr erster Warnstreik war nur ein Auftakt. Von Borna aus wollen sie alle Angestellten in den Kreisverbänden Sachsens erreichen und sie dazu bewegen, für einen Tarifvertrag zu streiten, der, von ver.di verhandelt, für alle Beschäftigte gilt und auch ihre Interessen klar regelt. Eine faire und angemessene Bezahlung für den Dienst am Menschen. Die Bornaer Kolleg/innen wollen eine Öffentlichkeit für ihre Forderungen nach einem gerechten Tarifvertrag herstellen und auch über das Agieren der gerade in den ostdeutschen Ländern sehr aktiven "Gewerkschaften" aufklären, die sich im Fahrwasser der Arbeitgeber bewegen.