ERNST ANTONI ist Journalist und ver.di-Landesvorstandsmitglied in Bayern

Es könnte sich als verhängnisvoll erweisen, sollte der Rest der Republik das von der CSU-Mehrheit in Bayern durchgepeitschte neue Versammlungsgesetz als Folklore-Kuriosum wie Lederhosen-Laptop und Oktoberfest werten. In dem Gesetz werden Grund- und Freiheitsrechte, die bisher als unumstößlich galten, eingeschränkt, ins Gegenteil verkehrt, abgeschafft. Rechte, die vorrangig die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit betreffen und damit nicht zuletzt auch betriebliche und gewerkschaftliche Zusammenkünfte, Arbeitskämpfe und Streiks.

Möglich wurde solch ein Gesetz durch die "Föderalismusreform". Am Bewusstsein der meisten Bürgerinnen und Bürger und vieler wichtiger Institutionen, die Gewerkschaften nicht ausgenommen, sind die Inhalte dieser "Reform" weitgehend vorbeigegangen. Durch sie wurde u. a. die Befugnis für bisher dem Bund obliegende gesetzgeberische Maßnahmen in die Hände der Landesregierungen und -parlamente gelegt.

Bayern hatte auf dem Feld des Versammlungsrechts jetzt Vorreiterfunktion. Ob das neue Gesetz rechtlich Bestand hat, sei dahingestellt. Die dort verankerten Bestimmungen scheinen weder durch das Grundgesetz noch durch die bayerische Verfassung gedeckt. Darüber müssen demnächst Gerichte entscheiden, ver.di klagt mit.

Aber schon kommt der nächste Vorstoß. Aus Baden-Württemberg. Auch dort wird die Verschärfung des Versammlungsrechts damit angepriesen, dass es gelte, Naziaufmärsche zu verhindern. Dem haben Betroffene in Bayern heftig widersprochen, so das Bürgerforum Gräfenberg - die ständig von Nazis drangsalierte Gemeinde, die sich seit langem mutig wehrt - und der Holocaust-Überlebende Max Mannheimer. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist ein Resultat der Erfahrungen mit dem NS-Regime. Für ein Verbot der NPD und die Unterbindung von Nazipropaganda braucht es keinen Abbau von Grundrechten. Die Verantwortlichen müssen nur wollen.