Mehr Europa, aber anders

ver.di-Gewerkschaftsrat beschließt Manifest für eine neue Wirtschafts- und Sozialpolitik in der EU

"Einem sozialen Europa die Zukunft geben" - so hat ver.di ihr Manifest zur Europapolitik überschrieben. Es markiert die Leitlinien eines alternativen Wirtschafts- und Sozialmodells für die Europäische Union. Das Manifest wurde Anfang Oktober im ver.di-Gewerkschaftsrat, dem höchsten Gremium zwischen den Bundeskongressen, diskutiert und beschlossen. "Nach den gescheiterten Referenden in Frankreich, den Niederlanden und Irland sollte die EU endlich die Politik des unhinterfragten ,Weiter so' verlassen und eine europaweite gesellschaftliche Debatte über die Zukunft der Union führen", heißt es da. Diese Debatte sollte zu einem neuen EU-Vertrag führen - und zwar unter dem Leitgedanken "Mehr Europa, aber anders".

In dem 36 Seiten starken Manifest setzt ver.di der vorherrschenden neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik in Europa ein alternatives Modell entgegen, "das auf dem Leitbild eines sozialen Europas basiert". Die neoliberale EU-Politik habe fortgesetzte "steuer-, sozial- und lohnpolitische Abwärtsspiralen ausgelöst" und damit zugleich empfindliche soziale Spannungen in den EU-Mitgliedsstaaten.

Vertrauenskrise überwinden

"Um den inneren Frieden in der Europäischen Union nicht zu gefährden, ist eine Abkehr von der gegenwärtigen Politik erforderlich," so das Manifest. Nur so werde die EU ihre "tief greifende Vertrauenskrise überwinden können". Die Zustimmung der Bürger/innen zu Europa und dem europäischen Integrationsprozess nehme immer weiter ab, das zeige sich nicht nur an der Ablehnung des EU-Verfassungsvertrags in den Referenden in Frankreich, den Niederlanden und zuletzt Irland, sondern auch an der dramatisch gesunkenen Beteiligung an den Europawahlen, die 2004 in Deutschland und Frankreich gerade noch knapp über 40 Prozent lag. Für viele Menschen stehe Europa mittlerweile für "zunehmende soziale Ungleichheit, für Einkommensumverteilung von unten nach oben und für Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme".

Um das Vertrauen der Menschen zurück zu gewinnen, müsse eine radikale Wende der EU-Politik eingeleitet werden: Die EU müsse "für eine Politik der Vollbeschäftigung, der Stärkung der Masseneinkommen, der Überwindung sozialer Ungleichheit, der Bewahrung des Wohlfahrtsstaates, der Abschaffung von sozial ungeschützen Beschäftigungsverhältnissen sowie des Ausbaus der Arbeitnehmerrechte und der industriellen Demokratie" stehen. Die neoliberale Politik habe sich angesichts der Krise der internationalen Finanzmärkte selbst widerlegt.

maria Kniesburges