Arbeit muss in schützende Händef.:

ver.di Rheinland-Pfalz und ver.di Saar streiten in öffentlicher Verhandlung für gute Arbeit

Von Jürgen Dehnert

"Sozial ist, was Arbeit schafft", findet Angela Merkel und formuliert damit den politischen Mainstream. Die Beschäftigtenzahlen sind das Entscheidende, die Qualität der Arbeit ist Luxus. Darum wird der Niedriglohnsektor ausgeweitet und staatlich gefördert. Darum stehen die Rechte der Arbeitnehmer/innen als kontraproduktiv unter Dauerbeschuss. Die Zahl "prekärer", vom Arbeits- und Sozialrecht kaum geschützter Arbeitsverhältnisse wächst.

Das Normalarbeitsverhältnis wird zur exotischen Ausnahmeerscheinung. Es wird als normal angesehen, sich auch krank zur Arbeit zu schleppen, weil sonst der Arbeitsplatz verloren geht. Ergebnis: Die Arbeitgeber haben immer weniger Kosten, der Anteil der Langzeitkranken jedoch wird immer größer, die psychischen Erkrankungen nehmen zu.

Höchste Zeit, dass die Gewerkschaften wieder die Qualität der Arbeit in den Fokus nehmen, sich um gute Arbeit kümmern. Aber was passiert derweil mit all den miesen Jobs? Was geschieht mit Minijobs, die direkt von der Arbeitsarmut in die Altersarmut führen? Was mit Leiharbeit und Tarifflucht, die ganze Branchen zum rechtsfreien Raum machen? Mit Dauerbefristungen und Endlos-Praktika, die Arbeitsplatzsicherheit zum Fremdwort werden lassen? Mit krankmachender Arbeit und Lebensgefahr am Arbeitsplatz? Mit Löhnen, die zum Leben nicht reichen?

ver.di Rheinland-Pfalz und ver.di Saar bringen miese Jobs vor Gericht, genauer vor das "Tribunal ungeschützte Arbeit." Am 15. November 2008 wird im pfälzischen Frankenthal gezeigt, wer unter prekärer Arbeit leidet und wer daran verdient. Es wird aber auch gezeigt, wie es besser geht und was wir alle für gute Arbeit tun können.

Als Sachverständige stehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Journalistinnen und Journalisten, erfahrene Betriebsrätinnen und Betriebsräte zur Verfügung, so etwa Professor Dr. Stefan Sell von der Fachhochschule Koblenz-Remagen und Tatjana Fuchs vom Internationalen Institut für empirische Sozialökonomie.

Freispruch ausgeschlossen

Die Hauptankläger sind aber die Betroffenen selbst. Sie werden den Vergehen gegen gute Arbeit Gesichter und Geschichten geben. Sie machen aus Statistiken Schicksale. Zum Beispiel die Verkäuferin, die am Arbeitsplatz überfallen wurde und deren Arbeitgeber sich weigert, in mehr Sicherheit zu investieren. Oder der Drucker, der als Leiharbeitnehmer für dieselbe Arbeit sechs Euro weniger bekommt als sein Kollege an derselben Maschine. Der Universitätsdozent, der sich von einem befristeten Arbeitsplatz zum nächsten hangelt, ohne sicher sein zu können, dass er auch im nächsten Jahr seine Rechnungen bezahlen kann. Die Krankenschwester, die selbst krank wird, weil sie Stress und Arbeitshetze nicht mehr aushält.

Die "Gerichtsverhandlung" wird geführt von Rolf Becker. Als Schauspieler ist der engagierte ver.di-Kollege seit Jahrzehnten eine feste Größe in der deutschen Theaterszene und im Fernsehen.

Sie sind herzlich vorgeladen, pardon, eingeladen.

Tribunal Ungeschützte Arbeit 15. November 2008

09.00: Einlass

10.00: Eröffnung: Rolf Becker

10.30: Anklageerhebung: Uwe Klemens, ver.di Rheinland-Pfalz Alfred Staudt, ver.di Saar

10.45: Anklagepunkte I, II, III

  • Minijobs machen Frauen klein
  • Von der Arbeitsarmut in die Altersarmut
  • Auf der Tarif-Flucht Staatliche Fluchthilfe durch Leiharbeit
  • no future Dauerbefristung und Ewigkeits-Praktika

11.30: Anhörung von Sachverständigen Professor Dr. Stefan Sell, Fachhochschule Koblenz-Remagen

12.15: Verhandlungspause

13.00: Anklagepunkt IV, V, VI

  • Auf dem Zahnfleisch Kranke Arbeit durch Stress und Arbeitsdruck
  • Hände hoch! Lebensgefahr durch Überfälle im Handel
  • Wenn Arbeit arm macht Der Mindestlohn ist das Mindeste

14.00: Anhörung von Sachverständigen Tatjana Fuchs, Soziologin, Internationales Institut für empirische Sozialökonomie

14.45: Plädoyers

15.00: Urteilsverkündung