CDU und Grüne im Stuttgarter Gemeinderat nehmen ihren Plan, die Kinderbetreuung als Eigenbetrieb zu führen, zurück – und starten den nächsten Alleingang VON BERND RIEXINGER

Die Ausgliederung der Stuttgarter Kindertageseinrichtungen und Kinderbetreuung in einen Eigenbetrieb ist vom Tisch. Das gaben die Fraktionsvorsitzenden des Stuttgarter Gemeinderats, Werner Wölfle (Grüne) und Iris Ripsam (CDU), bekannt. Verantwortlich dafür seien unter anderem die vielen Proteste gegen das Vorhaben - die aber vielfach unsachlich gewesen seien, sagten die Politiker. Was Wölfle und Ripsam nicht sagten: Die Proteste gegen einen Eigenbetrieb wurden in erster Linie von den Beschäftigten, ihrer Personalvertretung, von ver.di und auch von einem Teil der Eltern getragen.

Bei den Beschäftigten stieß das Vorhaben gar auf nahezu einhelligen Widerstand: Sie befürchteten Nachteile für sich und auch für die Kindererziehung. Es folgten zahllose Protestaktionen, Postkarten und Belegschaftsabstimmungen. Zum Hintergrund: Die Grünen und die CDU hatten bereits im vergangenen Jahr einen Zielbeschluss zur Ausgliederung der Kinderbetreuung im Stuttgarter Gemeinderat durchgesetzt - trotz der kritischen Haltung von Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU).

In einem von ver.di und dem Gesamtpersonalrat in Auftrag gegebenen Gutachten wurde dringend von der Ausgliederung der Tageseinrichtungen abgeraten. Darin stellt Alfred Katz, ehemaliger Erster Bürgermeister von Ulm, fest, dass die Rechtsform des Eigenbetriebs für Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungsaufgaben wenig geeignet sei. Schließlich hätten diese das wichtigste Gut, nämlich Kinder, und keine Waren zum Inhalt und würden zudem zu über 90 Prozent aus dem städtischen Haushalt subventioniert. Ganztagsbetreuung und Bildung von Kindern habe wenig mit unternehmerischen markt- und wettbewerbsorientierten outgesourcten Tätigkeiten zu tun, heißt es weiter. Katz fordert, von einem ganzheitlichen Bildungsansatz auszugehen und vom Kind her zu denken. Auch organisatorisch und wirtschaftlich spreche vieles gegen einen Eigenbetrieb, so Katz: Die Mehraufwendungen würden sieben bis zehn Millionen Euro betragen.

Dieses Gutachten hat auch den Letzten überzeugt, dass die Ausgliederung in einen Eigenbetrieb eine Sackgasse ist, in die der Gemeinderat besser nicht geht. Ein großer Erfolg für die Beschäftigten, den Personalrat und ver.di.

Vom Eigenbetrieb zum Regiebetrieb

Trotz ihrer Niederlage sind Grüne und CDU der Strategie treu geblieben, Vorschläge für die Zukunft der Kinderbetreuung ohne vorherige Diskussion mit den betroffenen Beschäftigten, Eltern oder gar mit anerkannten Fachleuten zu formulieren. Künftig wollen die Politiker die Kinder- und Jugendbetreuung in einem Regiebetrieb bündeln, eine Organisationsform, die für "kommunale wirtschaftliche Betätigung" vorgesehen ist.

ver.di hält dies für falsch: Erst einmal muss eine öffentliche Diskussion unter Beteiligung aller Betroffenen über die Zukunft der Erziehung und Betreuung sowie Bildung geführt werden. Auf dieser Basis kann dann über die nötige Struktur diskutiert werden, aber nicht umgekehrt. Die Auseinandersetzung ist also noch nicht beendet. Aber die größte Fehlentscheidung konnte schon einmal abgewendet werden.