Ausgabe 11/2008
Mehr Arme in Deutschland
Alleinlebende und Alleinerziehende haben ein besonders hohes Armutsrisiko
Die Einkommensunterschiede in Deutschland nehmen zu. Das hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) festgestellt. Nach dieser Untersuchung leben in Deutschland mittlerweile elf Prozent der Menschen unterhalb der Armutsschwelle. Die Zahl armer Menschen ist von 2000 bis 2005 deutlich stärker gestiegen als in den 15 Jahren davor.
Als arm gilt, wer mit weniger als der Hälfte des so genannten Medianeinkommens auskommen muss. Um das zu berechnen, wird die Bevölkerung in zwei Hälften geteilt. Das Einkommen an dieser Grenze ist das Medianeinkommen. Die Einkommensunterschiede in Deutschland waren im OECD-Vergleich lange Jahre eher gering. Jetzt liegt Deutschland hier im Mittelfeld. Ungleichheit und Armut hätten von 2000 bis 2005 so schnell zugenommen wie in keinem anderen OECD-Land, so die Studie.
Als einen Grund nennt die OECD den überproportionalen Anstieg höherer Einkommen. Ein weiterer ist die Arbeitslosigkeit. 19,4 Prozent der Menschen leben in Deutschland in einem Erwerbslosenhaushalt - das ist der höchste Wert innerhalb der OECD. Außerdem hat sich in Deutschland die Haushaltsstruktur stark verändert. Es gibt immer mehr kleinere Haushalte. Die aber brauchten ein höheres Pro-Kopf-Einkommen, um denselben Lebensstandard zu erreichen wie größere, sagt Michael Förster, einer der Autoren der Studie. Der Staat solle die Rahmenbedingungen dafür schaffen, diesem Wandel gerecht zu werden.
In Schweden ist es anders
Insbesondere Alleinerziehende sind laut der Studie stark von Armut betroffen. Im internationalen Vergleich weist Deutschland hier die fünfthöchste Armutsrate auf. In Haushalten ohne Kinder ist das Armutsrisiko, verglichen mit anderen Ländern, jedoch geringer. Dass es bei den Alleinerziehenden auch anders gehen kann, zeigt das Beispiel Schweden. Die vergleichsweise geringe Armutsquote bei Alleinerziehenden dort sei "einerseits das Resultat gezielter Transfers und andererseits die Folge eines umfassenden Betreuungsangebots, das auch Alleinerziehende in die Lage versetzt, einer Erwerbsarbeit nachzugehen", sagt Förster.
Armut hat Auswirkungen auch auf die Zukunft. "Eine höhere Einkommensungleichheit behindert die Aufstiegschancen über Generationen hinweg. Sie macht es für talentierte und hart arbeitende Menschen schwer, den Lohn zu erhalten, den sie verdienen. Diese mangelnde soziale Mobilität beeinträchtigt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insgesamt", sagte der OECD-Generalsekretär Angel Gurría bei der Präsentation der Studie. Hinzu komme, dass in Deutschland das Vermögen deutlich ungleicher verteilt sei als das Einkommen.HLA