Mit einem Angleichungszuschlag will ver.di für Gerechtigkeit bei den Rentnerinnen und Rentnern in den neuen Bundesländern sorgen

VON HEIKE LANGENBERG

Wo geht's denn hier zur Gleichheit?

19 Jahre deutsche Einheit, aber noch immer ist die Einheit nicht in allen Bereichen vollzogen. Beispiel Renten: Hier gibt es immer noch einen Unterschied zwischen den Rentenwerten in Ost und West. Erwerben Versicherte im Osten und im Westen der Republik je einen Entgeltpunkt, so ist er in den neuen Bundesländern derzeit 23,34 Euro, in den alten 26,56 Euro wert - also ein Unterschied von zwölf Prozentpunkten. Außerdem hinkt der Osten in der Lohn- und Gehaltsentwicklung in vielen Branchen weit hinterher.

"Bleibt es bei der Entwicklung, erfolgt eine Angleichung erst in 30 Jahren", sagt die Leiterin des ver.di-Bereichs Sozialpolitik, Judith Kerschbaumer. Der Einigungsvertrag verspreche jedoch die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse in Ost und West zu Lebzeiten der Rentner/innen.

Deswegen will ver.di dies beschleunigen. Bereits 2006 hat die Gewerkschaft ein Modell zur Angleichung der aktuellen Rentenwerte entwickelt. Dem haben sich mittlerweile die Gewerkschaften GEW und Transnet sowie der Sozialverband Deutschland und die Volkssolidarität angeschlossen. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellring (SPD), hat ein Modell vorgelegt, das in die gleiche Richtung geht.

Mittlerweile haben auch Politiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine schnellere Angleichung der Ostrenten als Thema entdeckt - allerdings ohne konkreter zu werden. Im Bundesarbeitsministerium existieren nach Angaben eines Sprechers lediglich "mehrere Arbeitspapiere", aber noch kein Gesetzentwurf. Kerschbaumer befürchtet, dass das Thema im Wahlkampf im Osten zum Stimmenfang genutzt werden soll - ohne dass sich wirklich schnell etwas verbessert.

Unterschied innerhalb von zehn Jahren ausgleichen

Das ver.di-Modell sieht einen Angleichungszuschlag vor. Der soll zusätzlich zu den Renten gezahlt werden, damit die Differenz von derzeit 3,22 Euro pro Entgeltpunkt ausgeglichen wird. "Dieser Ausgleich soll in zehn Jahresschritten vorgenommen werden", erklärt Kerschbaumer. Die Kosten betragen im ersten Jahr 500 Millionen Euro. Je schneller die Löhne und Gehälter im Osten jedoch aufholen, desto billiger würde das Modell pro Jahr. Das Geld muss ihrer Meinung nach aus Steuermitteln aufgebracht werden, schließlich seien das Folgekosten der deutschen Einheit.

Auch heutigen Beitragszahlern in den neuen Bundesländern bringt die Anpassung Vorteile. Der Angleichungszuschlag verbessert ihre Rentenanwartschaften und damit die künftigen Renten. "Wir greifen damit nicht in die bisherige Systematik der Rentenversicherung ein", sagt Kerschbaumer. Die Beitragsbemessungsgrenze Ost solle ebenso erhalten bleiben wie die so genannte Hochwertung. Mit ihr werden die niedrigen Löhne in den neuen Bundesländern ausgeglichen. Gleichzeitig sieht Kerschbaumer die Tarifpolitik in der Pflicht, weiter dafür zu sorgen, dass gerade bei Löhnen und Gehältern die Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland endlich beseitigt werden.

Beides sei dringend nötig, weil sich die Lebenshaltungskosten in beiden Teilen des Landes bereits angeglichen hätten. Das Argument, dass die Ostrenten wegen der längeren Anrechnungszeiten ohnehin höher seien, greife nicht, sagt sie. Nicht nur die Renten dürften verglichen, sondern auch die Netto-Alterseinkommen in Ost und West müssten berücksichtigt werden. Da liegt der Osten zwei Drittel hinter dem Westen. Denn im Osten gebe es bei den heutigen Rentner/innen so gut wie keine Anwartschaften aus privater oder betrieblicher Altervorsorge.

Profitieren von dem Angleichungszuschlag würden rund 3,5 Millionen Rentenbezieher/innen und rund sechs Millionen Versicherte in den neuen Bundesländern.

Rentenangleichung Ost

Bei einem ver.di-Workshop sollen verschiedene Modelle zur Rentenangleichung Ost diskutiert werden. Mit dabei sind unter anderem Erwin Sellring (SPD), Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Adolf Bauer, Präsident des Sozialverbands Deutschland, Gunnar Winkler, Präsident der Volkssolidarität, sowie der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske. Die Veranstaltung findet am 12. Dezember in der ver.di-Bundesverwaltung in Berlin statt. Weitere Informationen und der von ver.di entwickelte Angleichungszuschlag im Stufenmodell unter www.sozialpolitik.verdi.de