ver.di Hessen legt Mindestanforderungen für die Früherziehung vor

Bildungs- und beziehungsfähig werde ich nur in kleinen Gruppen

VON RENATE BASTIAN

Schon lange hat die Werbeindustrie ihr Herz für Kinder entdeckt und zielt mehr und mehr auf deren Kaufkraft. Die Realität sieht dagegen so aus, "dass Kinder immer stärker von Armut bedroht, ihre Bildungschancen von ihrer sozialen Herkunft abhängig sind und ihre Entwicklung zu selbstbewussten und sozialen Menschen oftmals nicht gewährleistet ist". So heißt es in einer Stellungnahme des Landesfachbereichs Gemeinden von ver.di Hessen zur Lage der Kinder. Es gibt in Hessen zwar einen Bildungs- und Erziehungsplan, um individuelle und nachhaltige Entwicklungschancen zu ermöglichen. Aber weder die Bedingungen noch die Bezahlung oder die personelle Ausstattung in den Kindertagesstätten wird einem solchen Anspruch gerecht.

Tausende Fachkräfte benötigt

Nach offiziellen Angaben erreicht Hessen gegenwärtig eine Versorgungsquote von 11,5 Prozent mit rund 18000 Plätzen in Einrichtungen und in Tagespflege. Tausende von zusätzlichen Fachkräften werden also gebraucht. Schon jetzt ist die Situation mehr als angespannt. Die Gruppen sind zu groß, die Bezahlung ist zu schlecht, die Verweildauer im Beruf beträgt fünf bis sieben Jahre, und aufgrund der Altersstruktur werden in den nächsten Jahren in Hessen jährlich rund 200 Erzieherinnen in Rente gehen. Der Beruf ist weiblich dominiert, noch nicht einmal fünf Prozent männliche Erzieher arbeiten in den Einrichtungen. Ende Oktober 2008 hatten rund 2000 Erzieherinnen und Eltern in Wiesbaden gegen diese Missstände demonstriert und knapp 24000 Elternbriefe an das Sozialministerium übergeben.

Mehr Wert, mehr Geld, mehr Anerkennung

Die Frankfurter Gewerkschaftssekretärin Kirsten Frank beschreibt nun umfassend die gewerkschaftlichen Forderungen für die frühkindliche Bildung in Hessen. Angelehnt an die Festlegungen der Europäischen Kommission soll folgender Personalschlüssel gelten: für Kinder bis eineinhalb Jahre - drei Kinder für eine Fachkraft, zwischen eineinhalb und drei Jahren vier Kinder für eine Fachkraft, danach bis zum Schuleintritt acht Kinder pro Fachkraft. Kirsten Frank legt besonders großen Wert darauf, dass Praktikant/innen und Zusatzfachkräfte nicht auf den Personalschlüssel angerechnet werden dürfen.

"Bildungs- und Beziehungsfähigkeit wächst nur in kleinen Gruppen. Individuelle Förderung kann sich nur in kleinen Gruppen umsetzen." Die Kita-Leitungen sollen nach ihren Vorstellungen von der Kinderbetreuung frei gestellt sein, damit sie sich den gewachsenen und komplexen Ansprüchen an die Zusammenarbeit mit den Eltern, Schulen und anderen Einrichtungen widmen können. Aber auch die räumlichen Bedingungen in den Einrichtungen wie zusätzliche Bewegungs- und Ruheräume und pädagogische und technische Ausstattung sind für die frühkindliche Entwicklung von erheblicher Bedeutung.

Als Gewerkschafterin weiß Kirsten Frank nur zu gut, dass die gesellschaftliche Erwartung an gute Fachkräfte sich auch in einer entsprechenden Bezahlung niederschlagen muss. In einem Einstiegsgehalt von 1764 Euro brutto und einer Endstufe von 2265 Euro brutto spiegelt sich keinerlei Wertschätzung für den frühkindlichen Bildungsauftrag. Eher das Gegenteil.