Sonntags hat sie frei

Von Birgit Tragsdorf

Unterm Strich betrachtet bleibt beim Umsatz auch mit einem zusätzlichen Einkaufstag fast alles gleich. Die verkaufsoffenen Sonntage in der Adventszeit verlagern ihn lediglich von den Einkaufszentren in die Innenstadt und von den Wochentagen auf den Sonntag. Während die Kundenströme wandern, verändert sich die Kaufkraft kaum.

Waren im vergangenen Jahr die Geschäfte nur an zwei Adventssonntagen geöffnet, gibt es in diesem Jahr unterschiedliche Regelungen durch die jeweiligen Stadträte. In Magdeburg und Leipzig soll gleich an vier Sonntagen gearbeitet werden, dicht gefolgt von Dresden mit dreien, Chemnitz öffnet an zwei Feiertagen, Erfurt bildet mit dem 1. Advent ein vergleichsweise bescheidenes Schlusslicht. ver.di hat dazu eine eindeutige Position: Der Sonntag soll sich nicht als normaler Arbeitstag im Einzelhandel etablieren.

Sonntage schaffen keine Arbeitsplätze

Die Stadträte wollen mit offenen Geschäften die Innenstädte beleben und Touristen in die Stadt holen. Sie versprechen mehr Arbeitsplätze, die Einzelhändler erhoffen sich mehr Um- satz. Doch die Realität sieht anders aus. Tatsächlich ist der Umsatz (nach Preisbereinigung) trotz längerer Ladenöffnung im letzten Jahr bundesweit um 2,2 Prozent zurückgegangen. In Sachsen um 5,1 Prozent, in Sachsen-Anhalt um 1,5 Prozent, in Thüringen um 3,3 Prozent.

Der Zuwachs an Arbeitsplätzen ist dagegen verschwindend gering: in Sachsen plus 0,5 Prozent, in Sachsen-Anhalt plus 2,5 Prozent und in Thüringen im Gegenteil minus 1,1 Prozent. Und vor allem: Der Abbau der Vollzeitstellen beziehungsweise die Zunahme der geringfügig Beschäftigten liegt in Sachsen-Anhalt bei 9,1 Prozent.

In Leipzig haben Gewerkschafter/innen, Betriebsräte, Kirchenvertreter/innen und Anwälte nun die "Allianz für den freien Sonntag" gegründet. Sie fragt: Lebt eine Stadt wirklich nur dann, wenn die Geschäfte rund um die Uhr geöffnet haben?

Welche Adventskultur bleibt uns, was ist mit der Besinnlichkeit, mit Konzerten in der Stadt, mit Feierlichkeit? Ist als Kulturereignis für Familien am Adventssonntag nur noch das Einkaufen vorgesehen? Und - nicht zuletzt - wie steht es um die Arbeitsbedingungen der Verkäuferinnen im Einzelhandel?

Auch die beiden Leipziger Betriebsrätinnen Liane Kühn von Peek&Clop?penburg und Angelika Schmidt von der Galeria Kaufhof engagieren sich gegen ausufernde Ladenöffnungszeiten. "Immerhin haben unsere Verkäuferinnen am Nachmittag des 24. Dezembers nach stressigen Arbeitstagen frei. Es ist Weihnachten, Zeit für die Familie und für Entspannung. Nun ist aber der Sonntag nach Weihnachten ein ganz normaler Arbeitstag", stellt Liane Kühn fest.

Im nächsten Jahr wollen die Kolleg/innen der Leipziger Allianz noch früher mit ihren Aktionen beginnen. Auch die Gespräche mit den Stadträten sollen mit genügend zeitlichem Spielraum angesetzt werden. Schon am 8. März 2009 wollen sie einen freien Sonntag in der Stadt feiern, ihre Positionen erklären und Mitstreiter suchen, damit sich nicht an allen Adventssonntagen alles nur noch um offene Geschäfte dreht.

Man kennt sich nicht mehr

Andere Kolleg/innen hingegen sind auf die entsprechenden Zuschläge am Sonntag angewiesen. Ihre Arbeitszeit ist als Jahresarbeitszeit geregelt. Die meisten von ihnen gehen mit vielen Minusstunden in das letzte Quartal, nicht immer freiwillig. Sie müssen ihre Stunden ausgleichen. Damit hat der Arbeitgeber gute Karten, auch wenn die Betriebsvereinbarungen Freiwilligkeit vorsehen.

In den Supermärkten kennen sich die Kolleg/innen untereinander mittlerweile kaum noch, ständig wechseln die Pauschalkräfte, so dass ein Zusammenwachsen in der Belegschaft nicht mehr möglich ist. Bei P&C sind nur noch 35 Prozent fest angestellt, 65 Prozent arbeiten als Bedarfskräfte und auf Zuruf. Aushilfskräfte, Studenten, Minijobs - das ist der Alltag der verlängerten Öffnungszeiten.

Keine Steigerung beim Umsatz, keine bei den Arbeitsplätzen und bei der Kaufkraft auch nicht. Bleibt nur: Zurück zur Normalität, zu freien Sonntagen und freien Abendstunden.

Gesellschaft Seite 9

So sieht's aus

Umsatzentwicklung bei längerer Ladenöffnung 2007 in Prozent

Bundesweit

minus 2,2

Sachsen

minus 5,1

Sachsen-Anhalt

minus 1,5

Thüringen

minus 3,3

Zuwachs an Arbeitsplätzen 2007 in Prozent

Bundesweit

plus 0,5

Sachsen

plus 0,5

Sachsen-Anhalt

plus 2,5

Thüringen

minus 1,1