Ausgabe 12/2008
Seeleute sind keine Jongliermasse
Erhard Ott ist im Bundesvorstand von ver.di zuständig für den Fachbereich Verkehr
ver.di PUBLIK | Der letzte ver.di-Bundeskongress hat einen Stopp der weltweiten Bundeswehreinsätze gefordert - es sei denn, dieser Einsatz stehe unter UNO-Mandat. Jetzt hat der Gewerkschaftsrat (GR) den Einsatz der Bundeswehr vor der Küste Somalias ausführlich diskutiert. Mit welchem Ergebnis?
ERHARD OTT | In der Diskussion wurde deutlich, dass es um die Einhaltung des Völkerrechts und daraus abgeleitet um die Sicherheit von Seeleuten geht - egal welcher Nationalität und Flagge. Das ist auch die Position der ITF - der Internationalen Transportarbeiter Föderation, deren Beschlüsse wir unterstützen. Wir stehen dafür, dass Leib und Leben der Seeleute keine "Jongliermasse" darstellen. Das Mandat ist gedeckt durch den UN-Sicherheitsrat und die UN-Vollversammlung und dient auch der Sicherung der Hilfslieferungen für die somalische Bevölkerung. Wir fordern, dass die Bundesmarine zur Sicherung der Konvois und der Seeraumüberwachung vor Ort ist.
ver.di PUBLIK | Kritiker befürchten, die CDU könne die Situation vor Somalia dazu nutzen, mit einer Änderung des Grundgesetzes die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr auszuweiten. Teilt ver.di diese Befürchtung?
OTT | Die gegenwärtigen Einsätze (Operation Enduring Freedom und auch Operation Atalanta) sind durch das Grundgesetz gedeckt. Die Einsätze der Bundesmarine unterliegen völkerrechtlich dem Seerechtsübereinkommen der UNO, das die Bundesrepublik ratifiziert hat. Eine Änderung des Grundgesetzes kann deswegen nicht hergeleitet und begründet werden. Bei diesen Einsätzen geht es zuforderst nicht um Einsätze unter Waffengewalt, sondern um Seeraumabsicherung, Präsenz, Konvoifahrten, etc.. Aber es gibt politische Kräfte in Deutschland, die versuchen könnten, die Schwelle zu überschreiten. Als Gewerkschafter werden wir wachsam sein.
ver.di PUBLIK | Elend und chaotische Zustände in Somalia werden häufig für die Piraterie verantwortlich gemacht. Auch heißt es, weil europäische Fischereiflotten die somalischen Küsten leer fischten, würde somalischen Fischern die Lebensgrundlage entzogen, es gebe kaum eine Alternative zur Piraterie. Sind diese Umstände in der Diskussion bei ver.di berücksichtigt worden?
OTT | Diese Argumentation ist nur zum Teil richtig! Es sind eben keine armen Fischer, die am Werk sind, sondern es ist organisiertes Verbrechen, das das Schicksal armer Fischer auszunutzen versucht. Aber wir stehen zur Beseitigung der Ursachen der Piraterie, das heißt, mit der UNO Wege zu finden, um die Demokratie in Somalia aufzubauen, eine normale gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen, Armut und Hunger zu beseitigen - auch mit den laufenden Maßnahmen des Welternährungsprogramms. Dazu brauchen wir die Schifffahrt. Diese Fragen wurden im GR auch diskutiert und es gibt aus unserer Sicht keine Alternative für die Dualität des Vorgehens.