Im südhessischen Steinbach bereiten ver.di-Vertrauensleute die Wahlen vor

Gemeinsame Aktionen bringen alle weiter: Vertrauensleute legen los

Von Renate Bastian

Gewerkschaft kann sich in vielerlei Gestalt zeigen. Mitunter so: Nach dem siebten Tagesordnungspunkt ist man müde gepredigt. Auf dem Heimweg stellt man sich so manche Frage.

Szenenwechsel. Anfang Februar, Treffen von Vertrauensleuten der ver.di Südhessen in Steinbach. Sie haben das Bildungszentrum der IG BAU und deren kollegiale Sorge fürs leibliche Wohl ganze anderthalb Tage lang für sich. Thema des alljährlichen Zusammentreffens: der Fahrplan für die Vertrauensleutewahlen im kommenden Winter und Frühjahr. Bekannt machen sich die 15 Teilnehmer/innen nicht per Selbstdarstellung, sondern in der gegenseitigen Befragung. Das fördert so manche zusätzliche Information über die eigene Arbeitsstätte zutage, gibt auch des öfteren einen neuen Blick auf den betrieblichen Alltag.

Wie die Maulwürfe

820 Betriebe gibt es in Südhessen. Vertreten sind in diesem Seminar zehn, vorwiegend aus der kommunalen Ver- und Entsorgung, dem Gesundheitswesen, der öffentlichen Verwaltung, Postdienste und Telekommunikation. In anderen Fachbereichen sind Strukturen für Vertrauensleute weniger ausgeprägt. Einerseits, weil Industrien wie die Druckindustrie - ehemals Hochburg in Südhessen - zerbrechen, andererseits, weil es in Zweigen wie dem Handel keine derartige Tradition gibt, obwohl dort energisch gekämpft wird.

Die südhessischen Vertrauensleute müssen manchmal arbeiten wie Maulwürfe. Sie beobachten hautnah die Probleme am Arbeitsplatz, sie spüren, wer sich für gewerkschaftliche Interessenvertretung interessiert, sie vernetzen versprenkelte Gewerkschaftsmitglieder, sie versuchen individuelle Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen, sie leiten die Arbeit in gut organisierten Betrieben.

Dierk Kieper macht diese Arbeit in der Service Niederlassung IT Brief in Darmstadt seit zehn Jahren. Er ist Betriebsratsvorsitzender. Aber als Vertrauensmann kann er unbeschwerter loslegen, kann auch mal andere Themen anpacken. Zum Beispiel über Terres des Hommes informieren.

Karin Roth wiederum kennt sich aus in der Stadtverwaltung Rüsselsheim. Ihr sind eine gute gewerkschaftliche Organisation und Anwerbung neuer Mitglieder eine Herzensangelegenheit. Sie möchte, dass die Arbeitskolleg/in-nen ihre Belange in die eigenen Hände nehmen. Gewerkschaftliche Rechte, so sagt sie, kann man nicht aus dem Katalog bestellen. Michael, mit dem klingenden Namen Todesco, vertritt gewerkschaftlich das psychiatrische Krankenhaus in Riedstadt. Die 44 Vertrauensleute bezeichnet er als das betriebliche Herz von ver.di. Eine wichtige Rolle in diesem Seminar spielt auch Melanie, die noch in der Ausbildung ist und neugierig hineinschnuppert.

Das ganze Jahr...

Es wird gelacht, es wird gefrotzelt, es wird konzentriert gearbeitet, am Abend wird ein Schöppchen angehoben. Jede bringt sich ein, jeder hat eine Idee. Am Ende stehen Ergebnisse: 1. Zum Auftakt wird es ein Informationsfest im September geben - mit einer kurzen Rede, einer Theateraufführung, einer Ausstellung, einem Preisrätsel, der Vorstellung von Projekten der südhessischen Vertrauensleute. 2. Es wird ein Plakat geben, das die Arbeit der Vertrauensleute veranschaulicht und vielseitig verwendet werden kann. 3. Alle Fachbereiche in ver.di werden angesprochen. Es geht dabei um die Kenntnis über betriebliche Strukturen, vielleicht eine VL-Landkarte für Südhessen. 4. Über den Vertrauensleuteausschuss werden Patenschaften für Betriebe organisiert, die Unterstützung durch Information und Werbematerial benötigen. 5. Flugblatt, Handbuch, Kulis, Schreibblöcke - an alles wird gedacht. Oberstes Prinzip ist, nur wer beteiligt ist, macht mit bei der Gewerkschaft; nur wer aktiv ist, kann andere mitreißen. Ergebnisse müssen auch bilanziert werden. In dieser lebendigen Gestalt kann sich Gewerkschaft zeigen. Auf dem Heimweg heißt es: Von einem solchen Seminar zehrt man das ganze Jahr.