VON JÜRGEN DEHNERT

Peter W. ist arm. 734 Euro überweist ihm sein Arbeitgeber jeden Monat. Sein Arbeitgeber, das ist die Deutsche Post AG, Briefzentrum Mainz. Der Stundenlohn beträgt 10,81 Euro bei 19,5 Stunden die Woche. Sein jetziger Arbeitsvertrag ist befristet, genau wie der vorige. Da hatte er noch einen Vollzeitjob. Den neuen Vertrag hat er nur gekriegt, weil er mit der Arbeitszeitreduzierung einverstanden war. Zeit für einen Nebenjob? An den meisten Tagen der Woche kann er sein Pensum nicht schaffen und stellt auf eigene Rechnung weiter zu. Die nächste Verlängerung des Vertrags ist fällig - oder auch nicht, wenn er Schwierigkeiten macht. "Ich sitze ganz schön in der Scheiße", sagt er.

Gudrun S. ist arm. Über 20 Jahre lang hat sie recht erfolgreich Anzeigen für eine Regionalzeitung im nördlichen Rheinland-Pfalz verkauft. Mit 51 Jahren hat sie ihren Job verloren, obwohl ihre Abschlüsse immer noch stimmten. Änderung der Verlagsstruktur war die Begründung, ihr Alter der Grund. Mit 54 muss sie jetzt ihre Wohnung kündigen. Die Miete, so die zuständige ARGE, ist 80 Euro zu hoch. Sie hat Glück und findet eine neue Wohnung, behält ihren Anspruch auf das volle Arbeitslosengeld II, verliert aber ihre gewohnte Umgebung und einen großen Teil ihrer Lebensqualität. Die 80 Euro Ersparnis bringen für sie keine Verbesserung der Einkommenssituation. "Ja, die letzte Zeit läuft es nicht so gut", sagt sie.

Arm im reichen Land

Es wird in absehbarer Zeit nicht besser laufen, auch wenn die Talsohle der Wirtschaftskrise angeblich schon überschritten ist und es wieder aufwärts gehen soll. Es könnte sogar schlimmer kommen, denn es sind noch einige gigantische Rechnungen offen. Die Milliardenausgaben des Staates zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise wurden sozusagen per Scheck getätigt, einzulösen nach der Bundestagswahl. Vor der Wahl halten sich alle Parteien mit Äußerungen darüber, wie das gehen soll, zurück. Die Kandidaten reden von Vollbeschäftigung und Steuererleichterungen. Nach dem 27. September wird sehr bald und hart darüber diskutiert werden, aus welchen Geldtöpfen letztlich Bankenrettung und Konjunkturpaket bezahlt werden sollen. Dann entscheidet sich, wie weit die Verursacher tatsächlich für die Krise bezahlen müssen oder ob der Sozialstaat abgewrackt wird, um die Konjunktur anzukurbeln.

ver.di Rheinland-Pfalz und ver.di Saar setzen das Thema Armut vor der Wahl auf die Tagesordnung. Bei einer Veranstaltung in Kaiserslautern am 16. September wird gezeigt, dass Armut in einem der reichsten Länder der Welt Realität ist. Es wird ein Überblick über die Gefahren einer Ausweitung von Armut gegeben und die Politik wird mit den Vorschlägen von ver.di zur Sicherung des Sozialstaates konfrontiert.

Für die Veranstaltung wurde einer der führenden Armutsforscher in Deutschland gewonnen, Professor Walter Hanesch von der Hochschule Darmstadt. Vom Bundesvorstand der ver.di nimmt die Leiterin des Bereiches Sozialpolitik, Judith Kerschbaumer, teil, die Politik wird durch Sozialministerin Malu Dreyer (SPD) vertreten sein. http://rlp.verdi.de/data/Einladung