Ausgabe 10/2009
Nicht weggucken
Hendrik Starfinger
Gemobbt zu werden, macht krank, physisch und psychisch. Es beeinträchtigt die Lebensqualität und die Arbeitsleistungen. Die Folgen von Mobbing kosten noch dazu richtig Geld – die Gesellschaft und die Arbeitgeber. Mehr als eine Million Erwerbstätige werden nach Angaben des ver.di-Bildungswerks bundesweit gemobbt. Die Dunkelziffer ist höher. Verluste bei Produktivität und Qualität, Kosten für Arbeitszeitausfall und Krankheiten – all das entsteht durch das Vergiften des Arbeitsklimas und des Umgangs miteinander. Nun sind Mobbing und Machtmissbrauch keine Erfindung unserer Zeit, das Phänomen gibt es schon lange, und es kann jeden treffen. Deutlich verbessert hat sich die Wahrnehmung von Mobbing, und es wächst der Wille, etwas dagegen zu tun. In der Mobbingberatungsstelle des ver.di-Bezirks Dresden-Oberelbe berät Hendrik Starfinger Betroffene. Er definiert das Mobbing als konfliktbelastete Kommunikation, als systematische Angriffe auf eine Person mit diskriminierender Wirkung über längere Zeit und mit dem Ziel, sie aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen. Über die Beratung hinaus bietet Starfinger Schulungen für Interessenvertreter/innen, Arbeitgeber und Führungskräfte an. Rund 350 Kolleginnen und Kollegen haben ihn im vergangenen Jahr in seinem Büro an der Cottaer Straße in Dresden aufgesucht. In seinen Auswertungen haben sich einige interessante Aspekte ergeben: 79 Prozent der Gemobbten, die ihn aufsuchen, sind Frauen, 21 Prozent Männer, über 66 Prozent der Betroffenen sind über 40 Jahre alt. Im öffentlichen Dienst wird demnach mit 43 Prozent öfter gemobbt als in der freien Wirtschaft mit 30 und bei kirchlichen Einrichtungen 22 Prozent der Fälle. Die Täter sind zu 81 Prozent Vorgesetzte, nur zu 17 Prozent sind es die eigenen Kollegen.
Straffe Hierarchien sind idealer Nährboden
Warum im öffentlichen Dienst die Zahlen höher sind, hat zwei Gründe: Dort sind die Personalräte in Sachen Mobbing besser sensibilisiert, mehr Fälle werden gemeldet. Und die straffen Hierarchien sind ein idealer Nährboden für Mobbing. Hier muss sich ein demokratischer Führungsstil durchsetzen - anleiten, begleiten, kontrollieren. Dazu gehört das Eingestehen von Fehlern ebenso wie ein Verzicht auf Machtmissbrauch und das Verhindern von Schikanen. Hendrik Starfinger, studierter Fachpsychologe, bemüht sich neben der Hilfe und der Beratung der Betroffenen vor allem um die Prävention. Mit seinen Schulungen zeigt er, wie Konflikte zu lösen sind und Mobbing verhindert werden kann. Und er will die Kolleginnen und Kollegen ebenso wie die Vorgesetzten darin schulen, die Kultur des Umgangs miteinander zu verbessern. Er ist Mitinitiator einer Petition für eine Gesetzgebung gegen Mobbing.
BIRGIT TRAGSDORF
Hendrik Starfinger bietet täglich Beratung an und bittet um vorherige Anmeldung: 0351 / 494 76 48 oder info@mobbing-dresden.de Infos: http://dresden-oberelbe.verdi.de/mobbingberatung