Ausgabe 11/2009
Der falsche Weg
FDP-Anhänger in Sachsen
Am 9. November hat das Bundeskabinett die ersten Steuersenkungen auf den Weg gebracht. Eltern, Erben und Unternehmen sind bei den Ersten, die entlastet werden sollen. Eins haben sie gemeinsam: In erster Linie profitieren eher Besserverdienende. Beispiel Kinderfreibetrag. Von 6024 Euro jährlich soll er ab 2010 auf 7008 Euro angehoben werden. Damit auch Eltern mit niedrigen und mittleren Einkommen im kommenden Jahr mehr Geld in der Tasche haben, steigt das Kindergeld um 20 Euro pro Monat. Da allerdings das Kindergeld auf Leistungen nach dem Hartz-IV-Gesetz angerechnet wird, haben Familien am unteren Ende der Einkommensskala nichts von diesen Wohltaten der neuen Regierung. Dennoch werden 4,6 Milliarden Euro im Staatshaushalt fehlen.
Freuen können sich hingegen die Unternehmer. Schon heute liegt bei der Besteuerung von Unternehmenserträgen Deutschland im Vergleich zu den 15 alten EU-Staaten mit 1,4 Prozent auf dem letzten Platz. Würde die Regierung sich dem Durchschnittswert in der Besteuerung von 2,3 Prozent annähern, wären pro Jahr 33 Milliarden Euro mehr in den öffentlichen Kassen. Trotzdem will die schwarz-gelbe Regierung mit Steuersenkungen im Wert von 2,4 Milliarden Euro die Unternehmenssteuerreform aus dem Jahr 2008 ändern. "Geld, welches in Infrastruktur, in Bildung, Gesundheit, in öffentliche Dienstleistungen fließen könnte. Das würde die Binnenwirtschaft, die Steuereinnahmen und die sozialen Sicherungssysteme stärken", heißt es in einer Stellungnahme des ver.di-Bundesvorstands zum schwarz-gelben Koalitionsvertrag.
Völlige Ahnungslosigkeit
"Grundsätzlich werden Unternehmen, Wohlhabende (Besserverdienende), Erben zusätzlich von Steuern befreit und weitere Entlastungen werden geprüft. Und das vor dem Hintergrund, dass die Gebietskörperschaften, die sozialen Sicherungssysteme als auch viele Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, öffentliche Infrastrukturbereiche unterfinanziert sind, und die Folgen der Krise weitere Risiken in sich bergen", heißt es dort weiter. Die steuerpolitischen Maßnahmen insgesamt zeugten von "völliger Ahnungslosigkeit oder Realitätsverleugnung bezüglich der Krise und ihrer Ursachen. Denn diese bestanden doch nicht in mangelnder Leistungsbereitschaft oder zu hohen Steuern, sondern im Gegenteil in der zunehmenden Konzentration Anlage suchenden Kapitals einerseits und unzureichender Massenkaufkraft andererseits sowie Deregulierung".
Auch die vereinbarte Erhöhung des Schonvermögens für Bezieher/innen von Arbeitslosengeld II entpuppe sich bei näherem Hinsehen als "Blödsinn", schreibt der ver.di-Bundesvorstand. Er rechnet damit, dass die neue Regelung für maximal 0,5 Prozent der Betroffenen Vorteile bringt, weil sie nicht die normalen Ersparnisse erfasst, sondern Immobilien und Rentenversicherungen. Das zeige, dass sich hier die Lobbyisten aus der Versicherungswirtschaft durchgesetzt haben. Und die Ausweitung der Hinzuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslosengeld-II-Bezieher/innen erleichtere die Lohndrückerei. Außerdem belaste sie die öffentlichen Haushalte, weil mehr Menschen Anspruch auf staatliche Leistungen bekommen.
Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske warnt angesichts der Koalitionsbeschlüsse vor einer "gefährlichen Entstaatlichung und einer Schwächung des gesellschaftlichen Zusammenhalts". Profit werde vor Gemeinwohl gestellt, Bund, Ländern und Kommunen systematisch weitere Mittel für dringend notwendige Investitionen entzogen.
Die 36-seitige Stellungnahme des ver.di-Bundesvorstands kann im Internet unter www.verdi.de/politik_von_a_bis_z/regierungskoalition heruntergeladen werden.