Der Hass auf den Westen | Jean Ziegler hat den Tod gesehen. Tausende Male. In Lagern, in Krankenhäusern. Als UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Ernährung ist der Schweizer Soziologe Zeuge der dunklen, vernichtenden Globalisierung geworden. Den Hungertod, schrieb er in einem seiner letzten Bücher, habe er sich immer sanft vorgestellt. In Äthiopien lernte er auf dem Höhepunkt der Hungersnot im Januar 1985 die Realität kennen. Kleine, runzelige Gesichter hätten ihn im Aufnahmelager angesehen. Schmerzverzerrt, von schrecklichen Qualen gezeichnet.

Es sind solche Szenen, die Ziegler immer wieder schildert. Sie drücken seine Wut aus im Kampf um eine bessere Welt. Sie finden sich auch in seinem jüngsten Buch. Der Hass auf den Westen befasst sich mit den Folgeerscheinungen des globalen Unrechts. Die neoliberale Globalisierung, so Zieglers Kernthese, steht in der Tradition der kolonialen Gewaltregime. Der wachsende Widerstand des Südens gegen die Industriestaaten sei ebenso eine Folge des Befreiungskampfes. Mehr noch: Diesem Widerstand liegt das Trauma der Opfer zugrunde. Der Hass auf den Westen sei also nachvollziehbar, teile sich gleichwohl in einen pathologischen und einen rationalen, begründbaren Hass. Wenn der Westen das Leid der südlichen Völker nicht wahrnehme, drohe die krankhafte Feindschaft, in denen die Terroranschläge vom 11. September 2001 begründet seien, Oberhand zu gewinnen. Zieglers neues Buch ist ein revolutionäres Plädoyer für eine gerechte Welt. Eine Welt, in der die Herrscher den Hass verstehen. Eine Welt, in der die Unterdrückten ihren Hass überwinden. hcn

JEAN ZIEGLER: DER HASS AUF DEN WESTEN, WIE SIE SICH IN ARMEN VÖLKERN GEGEN DEN WIRTSCHAFTLICHEN WELTKRIEG WEHREN, DEUTSCH VON HAINER KOBER, C. BERTELSMANN VERLAG, MÜNCHEN, 288 SEITEN, 19,95 €, ISBN 978-3570011324