Wenn das Gasthaus "Kikeriki" in Wächtersbach ruft, legen die ver.di-Vertrauensleute bei der Deutschen Post AG den weiten Weg dorthin gern zurück. Und das nicht nur wegen des kühlen Bierchens. Es ist Zeit für ihren monatlichen ver.di-Stammtisch. Sie kommen aus dem Bereich der Postleitzahl 63 und vertreten den ländlichen Raum Bad Orb und Gelnhausen. Von ihrer Arbeit als Zusteller/innen der Post sind sie lange Wege gewöhnt. An diesem nasskalten Abend Mitte November geht es um den jüngsten Tarifabschluss. Die geplanten Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen konnten abgewehrt werden: Ausschluss von Änderungskündigungen, von betriebsbedingten Kündigungen, Erhalt der Wochenarbeitszeit, Stopp der Fremdvergabe. All das schlägt positiv zu Buche. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags bis zum Ende des Jahres 2011 gilt allerdings als problematisch. Die neuen Auseinandersetzungen fallen dann ausgerechnet in die Zeit nach dem Trubel des Weihnachtsgeschäfts. Vorher oder mittendrin könnte man den Arbeitgeber eher unter Druck setzen. Lebendig geht es bei den Vertrauensleuten auch zu, wenn Probleme des alltäglichen Kleinkriegs besprochen werden. Immer wieder nämlich ver-sucht die Deutsche Post AG, Zusätzliches aus den Leuten herauszuschinden. Es gibt Wirrwarr um die Zustellbezirke, neue Aufgaben kommen hinzu. Besonders in den hektischen Zeiten vor Weihnachten kommt kaum jemand der Zusteller/innen mit der vorgegebenen Zeit hin. Sie haben die Möglichkeit, die Ist-Zeit, den tatsächlichen zeitlichen Arbeitsaufwand, aufzuschreiben. Dann sieht man schwarz auf weiß, wie so ein Arbeitstag aussieht. Die Überstunden werden gezählt. Deshalb möchten die Vorgesetzten gerne verhindern, dass allzu viele notieren, was wirklich los ist. Bemerkungen fallen wie: Du wirst auch immer langsamer. Was heißen soll: Du wirst immer teurer. Was heißen kann: Es gibt andere, die billiger sind. Auf diese Weise erhöht sich der Druck. Manch einer opfert seine Freizeit und arbeitet morgens eine halbe Stunde gratis, um hinzukommen. Niemand aber kann einkalkulieren, ob zum Beispiel bei der Paketzustellung die neuen Handscanner, die technisch komplex sind, wieder ein Chaos anrichten. Stürzt die Software ab, steht man vor dem Kunden, stammelt Entschuldigungen, die Zeit läuft davon und die Wege sind noch lang.

Bin ich tatsächlich zu langsam?

Als zusätzlich problematisch wird die Situation der befristet Beschäftigten geschildert. Bei ihnen verstärkt sich der Druck bis hin zur Erpressung. Bin ich tatsächlich zu langsam? Was hat es zu bedeuten, dass der Vertrag nur um ein paar Wochen verlängert wurde? Gibt es einen neuen? Wer weiß heute schon, ob er, weil ohne Arbeit, viel Zeit für die Festvorbereitungen haben wird - oder doch zustellen kann? Spätestens in solchen Situationen schlägt die Stunde der Vertrauensleute. Es gilt, über die Rechte aufzuklären, Zusammenhalt herzustellen, Widerstand zu organisieren und Arbeitswürde zu bewahren. Im Wächtersbacher "Kikeriki" sprechen die zehn ver.dianer/innen aber auch darüber, wie sie sich selbst als Vertrauensleute stärken können. Weitere Stammtischtreffen an anderen Orten sollen geplant werden. Denn diese gewerkschaftlichen Stützpunkte, eine dreiviertel Stunde entfernt von Frankfurt, müssen eigenständig arbeiten. Eine Vertrauensfrau bilanziert zum Jahresende das nächste Vorhaben: Jedes Jahr neue Gewerkschaftsmitglieder, jedes Jahr einmal Bildungsurlaub. Eins steht allemal fest: Vertrauen ist gut, Vertrauensleute sind besser. reb