In seinem Betrieb fließen weder Milch noch Honig

Von Renate Bastian

Ja, Jürgen Boguschewski arbeitet gern als Kommissionierer und das schon seit 20 Jahren. Und: Jürgen Borguschewski nimmt seinen Auftrag als Betriebsrat ernst. Und wahr ist auch: Jürgen Boguschewski hat für seinen Betrieb REWE Logistik-Systeme in Gernsheim eine Betriebsvereinbarung gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit vorgeschlagen - wie bei Opel. Beleidigung von Kollegen ist nicht sein Stil. Mitte November hat der rührige Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht Darmstadt mit einer Einstweiligen Verfügung sein Recht erstritten, sich zu den üblichen Arbeitszeiten in REWE Logistik-Systeme aufhalten zu können. ver.di Südhessen wertet dies als einen Teilerfolg in der Auseinandersetzung um eine außerordentliche Kündigung, die Mitte Oktober von der Geschäftsleitung ausgesprochen worden war. Boguschewski soll zwei Kollegen als Nazis bezeichnet haben, was er bestreitet. Er wurde von der Arbeit freigestellt und durfte den Betrieb nur noch betreten, um seine Arbeit als Betriebsrat ausüben zu können. Das heißt, er hätte in jedem einzelnen Fall begründen müssen, warum er in den Betrieb will. Das ist nun vom Tisch. Das Arbeitsgericht hat den 60 Gernsheimer Beschäftigten somit einen freigestellten Betriebsrat beschert. Denn Jürgen Boguschewski darf sich zwar laut gerichtlichem Vergleich ungehindert im Betrieb aufhalten, aber die Geschäftsleitung will ihn nicht in seinem Beruf arbeiten lassen. Häufig haben solche Attacken auf Betriebsräte einen ganz anderen Hintergrund als vorgegeben. Folgender wäre im Falle Gernsheim denkbar. Im September hatte sich fast die gesamte Belegschaft an den Handelsstreiks beteiligt. Das war besonders nachhaltig, weil von Gernsheim aus Supermärkte wie REWE, Toom oder Fegro mit Milchprodukten beliefert werden. Dutzende Touren fielen aus.

Ärgerlich für die Geschäftsleitung

Oder dies: Boguschewski drang darauf, dass der Arbeitsschutz eingehalten wird. Mit so genannten elektrischen Ameisen, wendige Transportgeräte mit einem Stehplatz für die Fahrer, werden die Produkte befördert. Um Zeit zu sparen, brachten sich die Kommissionierer in Gefahr. Der Betriebsrat beanstandete dies. Oder auch jenes: Im Betrieb gibt es eine Betriebsvereinbarung über flexible Arbeitszeit. Es können mal sieben, mal neun Stunden gearbeitet werden. Neun Stunden sind an der Tagesordnung. Zudem wurde die gesetzliche Arbeitszeit nicht strikt eingehalten. Der Betriebsrat hatte folglich die Betriebsvereinbarung gekündigt. Aus Sicht der Geschäftsleitung gibt es möglicherweise viele Gründe, den Betriebsrat loswerden zu wollen. Eine Verdachtskündigung ist dabei ein viel erprobtes Mittel. Am 11. Januar 2010 findet die Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht in Darmstadt statt.