Schuldig! 20 Jahre TBS in Rheinland-Pfalz. Gründer und Mastermind Winfried "Wini" Ott

Bankenrettungsschirme, Konjunkturprogramm I und II. In der Wirtschafts- und Finanzkrise ist der Staat sehr gefragt, insbesondere sein Geld zur Rettung von Unternehmen, zum Erhalt von Arbeitsplätzen. Beim Verteilen der Millionen befindet sich die Politik in einem Dilemma: Wo und wie erreiche ich die besten Ergebnisse, wo setze ich immer knapper werdende Mittel auf den Punkt genau, sinnvoll und nachhaltig ein?

Die Technologieberatungsstelle des DGB in Rheinland-Pfalz (TBS) hatte eine gute Idee: Wir fragen die Betriebsräte. Die kriegen jede Veränderung über die Auslastung der Betriebe sofort mit, können aufgrund langer Erfahrung und einschlägiger Qualifikation Entwicklungen einschätzen und Hinweise auf den aktuellen Bedarf geben. Die Angaben aus möglichst vielen Betrieben zusammen genommen, ergäben ein Gesamtbild, eine Art Krisenbarometer. Die Politik könnte mit Hilfe der Messergebnisse die Förderung steuern, gezielt Informationen über bereitstehende Geldtöpfe geben und neue bereitstellen.

SIS – was für eine gute Idee!

Auch das Arbeitsministerium fand die Idee gut, ein Projekt wurde befristet bis zum 31. Dezember 2009 eingerichtet und vom Land finanziell gefördert. Das Schnellinformationssystem Betriebsräte (SIS) war geboren, die "Befragung zu Auslastung, Personalsituation und Kurzarbeit in rheinland-pfälzischen Betrieben". Das Projekt wurde bei verschiedenen Gelegenheiten vorgestellt und erläutert, fand aber erst einmal nur Beachtung bei den befragten Betriebsräten.

Die notwendigen Daten wurden von der TBS mittels eines zweiseitigen Fragebogens erhoben, ausgewertet und anonymisiert an das Arbeitsministerium weitergeben. Rund 200 Betriebsräte antworteten regelmäßig für insgesamt über 100 000 Beschäftigte, der kleinste Betrieb hatte acht der größte 11 000. Die Befragung erbrachte einige wertvolle Hinweise. So haben zum Beispiel nur relativ wenige Unternehmen die Möglichkeit genutzt, ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Kurzarbeit zu qualifizieren und so für andere freie Arbeitsplätze im Unternehmen fit zu machen. Die TBS informierte daraufhin verstärkt über die bestehenden staatlichen Fördermöglichkeiten, die offenbar vorher weitgehend unbekannt und weder von den Kammern noch von den Arbeitgeberverbänden ausreichend kommuniziert worden waren.

Neue Deutung von Datenschutz

Am Rande des Sommerlochs brachte dann die FDP-Fraktion eine Landtagsanfrage zur Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorschriften bei der Anwendung des SIS ein. Die CDU-Fraktion wollte da offensichtlich nicht zurückstehen und tönte von einem "Spitzelsystem". Nach und nach traten dann die Landesvereinigung der Unternehmerverbände (LVU), die Vereinigung Trierer Unternehmer (VTU) und die IHK Koblenz auf den Plan und verlangten die sofortige Einstellung des SIS. So entstand eine breite öffentliche Aufmerksamkeit, allerdings nicht die, die das Projekt verdient hätte. Die Erkenntnisse des Schnellinformationssystems, Workshops, Informationsbroschüren und Einzelberatungen spielten in der öffentlichen Diskussion und in den Medien keine Rolle. Vielmehr wurde der Anschein erweckt, als gäbe es einen landeseigenen umgedrehten Lidl-Skandal. Insbesondere die Landesregierung geriet unter Beschuss, obwohl keine Betriebsgeheimnisse abgefragt worden waren, und obwohl alle Daten geschützt und nur anonymisiert und zusammengefasst weiter geleitet wurden.

Die Angriffe haben letztlich ihr Ziel verfehlt, das Projekt vorzeitig zu beenden. Es läuft wie geplant bis zum Ende des Jahres weiter, und die Betriebsräte beteiligen sich wie gehabt. Sie halten das SIS nach wie vor für sinnvoll, die TBS hat im 25. Jahr ihres Bestehens einen hervorragenden Ruf und genießt großes Vertrauen. Für das kommende Jahr wird ein Folgeprojekt entwickelt, bei dem dann auch die Arbeitgeber beteiligt sind.

Wertvolle Betriebsräte

Kommentar | Es ist gutes demokratisches Recht einer Oppositionspartei, die Landesregierung parlamentarisch und publizistisch anzugreifen. Dass CDU und FDP bei den krampfhaften Versuchen, Beck und Co. vorzuführen, in einem Aufwasch Tausende Betriebsräte als Spitzel bezeichnen, ist allerdings lupenreine Interessenpolitik.

Uwe Klemens

Täglich leisten Betriebsräte mit viel Engagement ihren Beitrag bei der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise. Dabei sind sie gleichzeitig Management der Arbeitnehmerinteressen und persönliche Beraterinnen und Berater. Sie müssen den Gesamtüberblick behalten und dürfen zugleich das einzelne Schicksal nicht aus dem Blick verlieren. Die Anforderungen werden in den nächsten Wochen noch steigen. Die Auswertungen der TBS-Umfrage zeigen, dass zwischen 25 und 30 Prozent der Unternehmen Personalabbau planen.

Bei den anstehenden Beratungen zum Folgeprojekt SIS wird sich zeigen, ob die Arbeitgeberfunktionäre tatsächlich den Schulterschluss aller Beteiligten bei der Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise wollen oder ob sie die Krise nur nutzen, um bei ihren Klienten zu punkten.Uwe Klemens, ver.di-Landesleiter