MARIA KNIESBURGES ist Chefredakteurin der ver.di PUBLIK

Weh getan haben sie in den vergangenen Jahren ja schon zur Genüge: die tiefen Einschnitte in das Gesundheitssystem und die stetig steigenden Belastungen der Versicherten. Praxisgebühr, Zuzahlungen zu Arzneimitteln, Erhöhung der Krankenkassenbeiträge einseitig zu Lasten der Beschäftigten. Denn während der Arbeitgeberbeitrag bei 7,0 Prozent eingefroren wurde, haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein Sonderpaket zu schultern, sie zahlen 7,9 Prozent. Ein Abschied von der paritätischen Finanzierung des Gesundheitssystems und zugleich eine gesetzlich verordnete Lohnkürzung und Umverteilung von unten nach oben. Schließlich sind Sozialbeiträge Bestandteile des Lohns. Diese ersten Amputationen am Solidarsystem im Gesundheitswesen haben seinerzeit bereits Rot-Grün und später Schwarz-Rot erledigt. Unter Schwarz-Gelb rückt nun die Operation Irrsinn auf den Plan.

Flankiert von den Arbeitgeberverbänden und den Lobbyisten der Pharmaindustrie ficht Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler, FDP, für die Kopfpauschale - und damit für die radikale Abkehr vom Solidarprinzip, nach dem die Starken für die Schwachen und die Gesunden für die Kranken einstehen. Jede und jeder, egal ob Kleinstverdiener, Erbe oder Einkommensmillionär, soll den gleichen Beitrag zahlen. Wer das nicht kann, so der liberale Nachwuchspolitiker im Amte des Bundesgesundheitsministers, solle eben staatliche Hilfe beantragen. Und dazu werden absehbar mehrere Millionen Menschen im Land gezwungen sein. Abermals Millionen Hilfeempfänger, die sich vor dem Amt entblättern müssten, um ihre Anspruchsberechtigung nachzuweisen. Es ist eine neuerliche Ausweitung des Systems Hartz IV: Ihr da unten, macht Euch klein und sagt danke, heißt die Botschaft. Demütigung als Programm. Woher die Milliarden kommen sollen, die das an Steuergeldern kosten würde, sagt der Minister nicht. Jedenfalls nicht von seiner Klientel - und das sind bekanntermaßen die Besserverdienenden.