WERNER RÜGEMER ist freier Publizist und Sachbuchautor

"Die öffentlichen Kassen sind leer" - mit dieser Begründung wurden seit 1990 Post, Bahn, Stadtwerke, Wohnungen und weiteres öffentliches Eigentum verkauft. Doch die öffentlichen Kassen sind jetzt noch leerer als zuvor, die Zahl der öffentlich Beschäftigten wurde seit 1990 von fünf auf drei Millionen gedrückt, die Leistungen der Privaten sind schlechter und überdies teurer. Die Mehrheit der Bürger, nicht nur in Deutschland, hat das inzwischen begriffen und lehnt diesen Ausverkauf ab. Da tüftelten die Investoren etwas Neues aus: Jetzt machen sie auf "Partnerschaft". Die in Verruf geratene Privatisierung haben sie durch "Public Private Partnership" (PPP) oder "Öffentlich-Private Partnerschaft" ersetzt. Verkauft wird bei PPP tatsächlich erstmal nichts, sondern es werden Knebelverträge mit privaten Investoren geschlossen. Und die haben es in sich.

Das geht dann so: Baukonzerne im Verbund mit Banken bauen und sanieren Schulen, Rathäuser, Messehallen, Gefängnisse, Polizeipräsidien, Krankenhäuser, Straßen, Autobahnen usw.. Die Investoren betreiben die Anlagen und sorgen für die Finanzierung, die öffentliche Hand zahlt Miete. Dieses vermeintliche Rundum-Sorglos- Paket lassen sich die Privaten teuer bezahlen. Der Generalunternehmer holt sich Subunternehmer, die er mit Werklohn-Dumping erpresst. Hausmeister arbeiten zu Niedriglöhnen. Die "Transaktionskosten" für Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Banken betragen zwischen 15 und 25 Prozent, zu Lasten der öffentlichen Kassen. "Nachforderungen" der Investoren schon wenige Jahre nach Vertragsbeginn sind üblich. So wurden etwa die Vertragslaufzeiten für die Tunnel in Rostock und Lübeck von 30 auf 50 Jahre verlängert: Solange müssen die Lübecker und Rostocker nun Maut bezahlen. Der Landkreis Offenbach entlässt Beschäftigte, um die Mieten für das PPP-Vorzeigeprojekt mit 90 Schulen aufbringen zu können, denn die Mieten stiegen weit über die vereinbarte Höhe. Oder das Millionengrab Hamburger Elbphilharmonie: Nach der ersten Nachzahlung von 137 Millionen Euro verlangte der Baukonzern Hochtief kurz darauf nochmals 20 Millionen. Der Bau ist noch gar nicht fertig - schon haben sich die Kosten verdoppelt. Schließlich: Die PPP-Projekte werden als Immobilienfonds aufgelegt, die meist vermögenden Anleger bekommen eine Ausschüttung und können Steuern sparen. Der Staat verliert bei jedem Projekt Steuern. So macht PPP die öffentlichen Kassen im Nu leerer als zuvor.

PPP-Verträge sind keine einfachen Mietverträge oder eine "alternative Beschaffungsvariante", wie uns die Investoren-Lobby weismachen will. Sie sind vielmehr der "permanente Übergang der öffentlichen Infrastruktur an den privaten Sektor", sagt die bei der PPP-Vertragsgestaltung auch in Deutschland führende US-Kanzlei Freshfields frei heraus. Freshfields hat auch den 17 000 Seiten langen PPP-Vertrag für die Lkw-Maut verfasst. Übrigens: Die aktivsten Banken sind in diesem Geschäft die maroden Landesbanken, die bekanntlich zur Finanzkrise und zur Belastung der Landeshaushalte besonders viel beitragen. Die Investoren wollen Gewinn aus Bau und Betrieb möglichst großer und teurer öffentlicher Gebäude ziehen. Gleichzeitig agitieren sie für noch mehr staatliches Sparen und für den weiteren Abbau der öffentlichen Beschäftigung. Schließlich ist es ihnen egal, ob die ausgeplünderten Kommunen die Rathäuser und Messehallen überhaupt auslasten. Denn die Mieten für das PPP-Projekt müssen ja bis zum bitteren Ende bezahlt werden, selbst wenn 2030 nur noch der Bürgermeister und seine Halbzeit-Sekretärin im Rathaus sitzen.

Gerade die Bankenkrise hat die Legende widerlegt, dass der Staat kein Geld mobilisieren kann. Zur Rettung der Banken hat der Staat so viel Geld mobilisiert wie noch nie. Und was machen die geretteten Banken daraus? Hohe Gewinne für sich und weitere Zerstörung der ökonomischen Substanz, nicht nur der öffentlichen, sondern auch der privaten. Die öffentliche Infrastruktur ist aber ein tragender Pfeiler der Demokratie, des Zusammenhalts der Gesellschaft und eines sicheren Lebens für die Bürgerinnen und Bürger.

Die Schlussfolgerung ist eindeutig: Für die Rettung der öffentlichen Daseinsvorsorge und damit der Lebensqualität der Menschen, für Schulen, Kindergärten, Schwimmbäder, für Abwasserkanäle und Trinkwasserleitungen, für Straßen, Brücken, Nah- und Fernverkehr und für Kultureinrichtungen muss der Staat sofort Milliarden mobilisieren, statt weitere Steuergelder im Investorensumpf zu versenken. Es geht um kurzfristige Rettung, aber nach dem Mehrheitswillen auch um Rückkauf, Re-Kommunalisierung. Dazu gehören der Ausbau des öffentlichen Dienstes und eine ordentliche Bezahlung der Beschäftigten. Damit sie es besser machen können als die, die das nur versprochen, aber die Misere nur vertieft haben.

"Die Mieten müssen bis zum bitteren Ende gezahlt werden."