Zur See

Wir fahren täglich sechs- bis siebenmal zwischen Havnby auf der dänischen Insel Rømø und List auf Sylt. Die Fahrt dauert 40 Minuten. Wir sind zwei nautische Offiziere auf der Fähre. Ich arbeite auf der Brücke und an Deck, betreue das Laden und Löschen. Da ist man ganz schön unterwegs. Wir transportieren Passagiere, PKW, LKW, Camper und Busse. Im Winter haben wir 300 Passagiere, im Sommer 600, die Sitze auf dem Freideck mitgerechnet. Es sind Touristen, aber auch Handwerker und Inselversorger. Das wird nie eintönig. Der eine hat einen Wunsch, der andere ist unzufrieden mit der Gesamtsituation. Aber die meisten sagen: Der Urlaub beginnt auf dem Meer. Morgens um fünf Uhr fange ich an. Bis halb sechs muss das Schiff seeklar sein. Während die Passagiere kommen, weise ich die PKW ein; die Matrosen und Schiffsmechaniker stellen die Autos hin, so wie ich das vorher berechnet habe. Während der Fahrt führe ich Schiffstagebuch und Statistik, kümmere mich ums Wetter und die Arbeitseinteilung der Matrosen, etwa für die Schiffspflege. In List wird das Schiff gelöscht. Dann gibt's Frühstück. Mein Job ist sehr familienfreundlich. Fünf Tage weg, fünf zu Hause. Früher fuhr ich acht Monate und hatte zwei Monate Urlaub. Der Seemann merkt das nicht, der ist in seinem Element. Aber meine erste Ehe ging zu Bruch. Das lag nicht mal an "In jedem Städtle ein Mädle". In den Genuss kam vielleicht noch mein Vadder. Heute geht das nur noch: Schiffe rein, Schiffe raus, alles schnell, schnell. Nix mehr mit Romantik in den Häfen. Außerdem bin ich wieder glücklich verheiratet. Manchmal kommt ein Highlight, wie die Dreharbeiten zum Film The Ghostwriter. Der wurde an Bord gedreht. Gleich in der ersten Szene sieht man zwei Matrosen und mich beim Laden des Schiffes. Abends haben wir mit Roman Polanski und Ewan McGregor beim Bierchen geschnackt. Ich habe gestaunt, wie fit Polanski noch ist. Einmal hat er dem McGregor gezeigt, wie man über einen zweieinhalb Meter hohen Maschendrahtzaun klettert. Da ist er mit seinen über 70 mal eben drübergehüpft. Zur Filmpremiere wurden wir auch eingeladen. Hollywood kann kommen.

Protokoll: Jenny Mansch, Foto: privat