3. März in Athen: Proteste und Wut

Von Heike Schrader

Mehr als 60 Prozent der Griechen sehen soziale Unruhen auf ihr Land zukommen. Das ergab eine Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Public Issue Anfang März vorgenommen hat. Kurz zuvor war von der Regierung schon das dritte Sparpaket beschlossen worden, mit dem die hohen Staatsschulden abgebaut werden sollen. Die Einsparungen, die fast ausschließlich die Arbeitnehmer/innen treffen, umfassen die Verlängerung der Lebensarbeitszeit um durchschnittlich zwei Jahre, die Erhöhung der allgemeinen Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte auf 21 Prozent und um einen Prozentpunkt auf 10 Prozent für Lebensmittel. Den Staatsangestellten werden die Lohnzuzahlungen um 12 Prozent, Weihnachts-, Urlaubs- und Ostergeld um ein Drittel gekürzt. Außerdem werden Konsumsteuern angehoben.

Waren die Reaktionen der Gewerkschaften bis Ende Februar eher verhalten - einem Streik der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsfront PAME im Dezember waren ein Streik des öffentlichen Dienstes am 10. und ein Generalstreik am 24. Februar gefolgt -, so wurde das Land nach Bekanntwerden des dritten Maßnahmenpakets von einer enormen Welle von Streiks und Protesten überrollt: Mehrere Regierungsgebäude wurden symbolisch besetzt. Während das Paket am 4. März in der zuständigen Parlamentskommission diskutiert wurde, demonstrierten in Athen Zehntausende. Am 5. März, dem Tag der Verabschiedung der Maßnahmen im Parlament, wurde in vielen Bereichen im Land gestreikt. Gleichzeitig riefen die Gewerkschaftsdachverbände GSEE (private Wirtschaft) und ADEDY (öffentlicher Dienst) einen Generalstreik für den 11. März aus.

Versuchstier für die EU

"Es gibt keine zweite Regierung, die im Wahlkampf derart gelogen hat." Für Despina Spanou vom Vorstand des griechischen Gewerkschaftsdachverbands im öffentlichen Dienst (ADEDY) ist klar, dass die von der seit Oktober 2009 regierenden sozialdemokratischen PASOK eingeleiteten Lohnkürzungen und Steuererhöhungen schon vor der Wahl geplant waren. Damals hatte der heutige Ministerpräsident und PASOK-Vorsitzende Giorgos Papandreou erklärt, er würde "den Wirtschaftsmotor" durch staatliche Investitionen und Lohnerhöhungen wieder in Gang bringen. Kurz nach den Wahlen "entdeckte" die PASOK jedoch, dass die Neuverschuldung nicht wie zuvor angegeben sechs, sondern 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betrug. Willig schwenkte der neue Ministerpräsident daraufhin auf den von der EU geforderten Kurs "harter Sparmaßnahmen" um.

Die Gewerkschaften sind überzeugt, dass solche Maßnahmen die Krise vertiefen, und wollen die Einbußen nicht hinnehmen. Schon jetzt liegen die Einkommen im öffentlichen Dienst Griechenlands im EU-Vergleich am unteren Ende, während die Lebenshaltungskosten kaum niedriger sind als in Deutschland. Eine Reinigungskraft bekommt nach fünf Jahren im Job 1 390 Euro brutto im Monat. Mit den beschlossenen Kürzungen der Lohnzuzahlungen und der höheren Besteuerung der Löhne blieben 1 272 Euro übrig, durch die 30-prozentige Beschneidung der Sonderzahlungen ginge noch ein Monatslohn verloren. "Griechenland ist das Versuchstier, um diese Maßnahmen später auch in anderen Ländern durchzusetzen", sagt Despina Spanou überzeugt. "Ziel ist die Kürzung der Löhne um mindestens 20 Prozent im Mittel in der EU."

Vor dem Hintergrund ist der Widerstand in Griechenland doppelt wichtig. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske erklärte: "Wir sind an der Seite der griechischen Beschäftigten, wenn sie sich gegen die aufgezwungenen Maßnahmen und die Eingriffe in ihre Tarifverträge wehren." Despina Spanou sagt: "Wir brauchen diese Solidarität. Die Politik der Regierungen in Europa, ob sie nun konservativ oder sozialdemokratisch sind, ist neoliberal und volksfeindlich. Dagegen muss es Widerstand geben." Der nächste Streik im öffentlichen Dienst wird für Mitte März erwartet.