Finanzkollaps: Auch über Niedersachsens Rathäusern – hier Hannover – kreist der Pleitegeier, die Steuereinnahmen sinken drastisch

"Da sind politische Geisterfahrer unterwegs, die unter dem Vorwand einer Neuordnung der Gemeindefinanzen die Axt an die wichtigste kommunale Einnahmequelle legen wollen." So kommentiert die stellvertretende ver.di-Landesleiterin Susanne Kremer den Plan der Bundesregierung, die Gewerbesteuer abzuschaffen. ver.di stellt sich an die Seite der Kommunen. "Sparen können wir nicht mehr - wir sind am Limit", warnt auch der Präsident des Niedersächsischen Städtetags, Lüneburgs Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD). Bei der Gewerbesteuer verzeichneten Niedersachsens Kommunen 2009 schon einen Einbruch um 410 Millionen Euro. Beispiel Landeshauptstadt Hannover: Nach Steuerrückgängen von weit mehr als 22 Prozent seit 2008 spricht der Kämmerer von einer Umverteilung der Finanzlasten von unten nach oben. Wenn die Gewerbesteuer wegfalle, zahlten die Bürger für die Entlastung der Unternehmen. Zum Ausgleich müsste rein theoretisch die Einkommenssteuer der Hannoveraner um bis zu 25 Prozent steigen. Dabei sind die Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren bereits vielfach entlastet worden: Die Körperschaftssteuer wurde von 40 auf 15 Prozent gesenkt, und die Gewerbekapitalsteuer wurde abgeschafft. ver.di kritisiert, dass sich viele Unternehmen mit Tricks vor Steuerzahlungen drücken. Die großen Konzerne nutzten die Möglichkeiten, unternehmensintern Verluste mit Gewinnen zu verrechnen.

Dauerhafte Finanzeinbußen

Dramatische Einnahme-Einbrüche erlitten Niedersachsens Kommunen beispielsweise schon durch das Bürgerentlastungsgesetz mit dauerhaften Verlusten von jährlich etwa 190 Millionen Euro, das Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit Einbußen von bis zu 84 Millionen Euro 2010, dazu vermutlich jeweils 140 Millionen Euro in den Folgejahren. Der Rückgang beim Landesfinanzausgleich bringt aktuell ein Minus von 574 Millionen Euro, und auch bei der Einkommenssteuer lag 2009 der Ausfall schon bei 220 Millionen Euro. Deshalb fordern Kämmerer landauf, landab und aus allen Parteien statt weiterer Finanzeinbußen zusätzliche Einnahmen - beispielsweise eine Zusatzabgabe von den Bürgern. Die soll jährlich von der Kommune festgelegt werden. Ein Wegfall der Gewerbesteuer sei jedenfalls durch höhere Kommunalanteile an der Umsatzsteuer sowie Zuschläge bei Einkommens- und Körperschaftssteuer nicht aufzufangen.

Solidarisch statt unsozial

"Die unsoziale Steuerpolitik von CDU und FDP entlässt die Unternehmen aus der Verantwortung zur Mitfinanzierung des Gemeinwesens", kritisiert Susanne Kremer. Die Gewerbesteuer sei die unverzichtbare Gegenleistung der Wirtschaft für die Nutzung der kommunalen Infrastruktur. Statt Abschaffung fordert sie eine Weiterentwicklung der Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftssteuer, dazu eine Neuauflage der Vermögenssteuer, eine verbesserte Erbschaftssteuer, die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 53 Prozent und eine Finanztransaktionssteuer, um die Finanzen der Länder und Kommunen zu stabilisieren. "Kommunen brauchen ausreichende, stabile und solidarische Steuereinnahmen. Alle Betriebe, Selbstständige und Freiberufler sind in die Gewerbesteuer einzubeziehen", sagt Kremer.