Palmölfelder in Choco/Kolumbien: Die Ölpalmindustrie begünstigt vor allem die großen Konzerne

VON Harald Neuber

Jeder deutsche Bundesbürger ist einem der größten sozialen Probleme Kolumbiens schon begegnet. Ob in Tütensuppen, Keksen, Pflanzenmargarine, in Kerzen oder Cremes - Palmöl ist aus der hiesigen Produktpalette nicht mehr wegzudenken. Der Bedarf wird massiv ansteigen, weil die EU die Beimischung von Palmöl in Dieselkraftstoff auf bis zu 20 Prozent bis zum Jahr 2020 anheben will. In den vergangenen zehn Jahren hat der Verbrauch im EU-Raum insgesamt schon um rund 140 Prozent zugenommen.

Während die zunehmende Verwendung von Agrartreibstoff bei uns als Teil einer progressiven Klimapolitik präsentiert wird, zieht der Trend in Kolumbien schwere Umwelt- und Sozialprobleme nach sich. Mit großer Sorge sehen soziale Organisationen vor Ort daher auch ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Krisenstaat. Der Vertrag soll auf dem EU-Lateinamerika-Gipfel im Mai in Madrid unterzeichnet werden.

Zweitgrößter Importeur

Derzeit gibt es in Kolumbien rund eine halbe Million Hektar Palmölfelder. Die Pflanze wurde in den 1930er Jahren vom Golf von Guinea aus Afrika eingeführt. Nach Willen des amtierenden kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe sollen die Monokulturen auf sechs bis zehn Millionen Hektar ausgeweitet werden. Schon bei einem Abendessen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vertretern der deutschen Industrie Mitte 2008 bot der Rechtskonservative eine massive Ausweitung der Flächen an. Nach Informationen von Greenpeace ist Deutschland nach den Niederlanden der zweitgrößte Importeur kolumbianischen Palmöls in die EU.

Angesichts der wachsenden Bedeutung von Agrartreibstoffen für die Weltwirtschaft sieht die Regierung in Bogotá im Anbau der Ölpalme eine wirtschaftliche Chance. Doch wie wirkt sich der massive Umbau der Agrarbranche auf das krisengeplagte Kolumbien aus? Nach Auskunft des Schweizer Experten Stephan Suhner begünstigt die Ölpalmindustrie vor allem die agroindustriellen Großkonzerne. Unter 5 000 Hektar würde sich der Anbau der Palme gar nicht lohnen, erklärt er. Die Folge: Kleinbauern werden verdrängt. Das Problem ist für Kolumbien schon jetzt massiv. Der südamerikanische Staat steht weltweit an zweiter Stelle in den Statistiken über Binnenflüchtlinge. Gut vier Millionen Menschen - ein Zehntel der Bevölkerung - sind Vertriebene im eigenen Land. Ein Drittel von ihnen hatte Land besessen. Mehr Binnenflüchtlinge als Kolumbien weist nur der Sudan auf.

Die ehrgeizigen Pläne des politischen und wirtschaftlichen Lagers um Präsident Alvaro Uribe haben zugleich schwerwiegende Auswirkungen auf die Lage der Gewerkschaften. Nach Suhners Angaben wurden allein in der zentralnördlichen Region Magdalena Medio in den vergangenen Jahren Dutzende Gewerkschafter der Palmenindustrie von Paramilitärs ermordet. "Die Gewerkschaft Sintrainagro blickt auf eine lange Geschichte brutaler Repression zurück, ebenso Fensuagro, die zahlreiche Landarbeiter organisiert hat", schreibt er. Das gewaltsame Vorgehen gegen die Arbeiterverbände hat konkrete Folgen: Laut einer Untersuchung von Gewerkschaften und der Kolumbianischen Juristenkommission vom November 2009 wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten gut 2 700 Gewerkschaftskollegen ermordet. Die Staatsanwaltschaft geht nach Angaben aus gleicher Quelle nur gut 41 Prozent dieser Fälle nach.

Mit großer Sorge sehen Aktivisten in Kolumbien vor diesem Hintergrund das Freihandelsabkommen, für das sich innerhalb der EU gerade auch die deutsche Regierung stark macht. Nach Ansicht des kolumbianischen Journalisten Carlos Lozano schiebt die EU die schwerwiegenden Konsequenzen ihrer neoliberalen Handelspolitik einfach beiseite, zumal auch der seit Jahrzehnten wütende bewaffnete Konflikt eine Ursache in der ungleichen Landverteilung hat. "Auch wenn dieses Urteil nicht auf alle Mitgliedsstaaten zutrifft, so muss man der politischen Institution EU eine scheinheilige Haltung gegenüber dem Konflikt in Kolumbien vorhalten", sagt Lozano, der selbst mehrere Mordanschläge überlebt hat.