Ausgabe 10/2010
Einstieg in die Kopfpauschale
Die Bundesregierung will einkommensunabhängige Elemente in der gesetzlichen Krankenversicherung einführen. Menschen mit geringem Einkommen werden dadurch stärker belastet
von Heike Langenberg
Der Beitrag zu den gesetzlichen Krankenkassen steigt Anfang des kommenden Jahres wieder auf 15,5 Prozent an. Allerdings sollen dann die Arbeitgeberbeiträge eingefroren werden. Jede weitere Kostensteigerung müssen die Versicherten alleine tragen. Das sehen die Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Doch damit ist es nicht genug: Die Zusatzbeiträge, die die Versicherten schon heute alleine tragen, können jedes Jahr neu berechnet werden und nach heutigem Stand auf bis zu 75 Euro im Monat ansteigen - unabhängig vom Einkommen.
Die Arbeitgeber werden durch die Pläne der Bundesregierung entlastet. Denn sie sind von zukünftigen Beitragserhöhungen nicht mehr betroffen. Über Jahrzehnte hinweg hatten Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Kosten für die gesetzliche Krankenversicherung paritätisch aufgebracht, jeder hat den gleichen Anteil gezahlt. Damit standen und stehen die Arbeitgeber auch in der Verantwortung für die Gesundheit der Beschäftigten. Bereits 2003 hatte die damalige rot-grüne Bundesregierung damit begonnen, die Arbeitgeber aus dieser Mitverantwortung zu entlassen. Die Arbeitnehmer mussten einen Zusatzbeitrag unter anderem für Zahnersatz und Krankengeld alleine tragen.
Unabhängig vom Einkommen
Die Vorschläge, die die Bundesregierung jetzt vorgelegt hat, wertet ver.di als Einstieg in die Kopfpauschale, denn es sollen Elemente eingeführt werden, die unabhängig vom Einkommen von allen in gleicher Höhe gezahlt werden sollen. "Die Kopfpauschale ist ein Aderlass zulasten von Arbeitnehmern, Rentnern und sozial Schwachen", kritisiert ver.di-Bundesvorstandsmitglied Ellen Paschke. Noch nicht einmal der versprochene Sozialausgleich werde aus Steuern finanziert, sondern aus Beiträgen der Versicherten. Zudem ändert er nichts daran, dass gering und normal verdienende höher belastet und Reiche und Arbeitgeber entlastet würden.
Das hat kürzlich die Hans-Böckler-Stiftung mit Blick auf aktuelle Untersuchungen von Gesundheitsökonomen bestätigt. Geht man von dem vom Bundesversicherungsamt für 2014 vorhergesagten Zusatzbeitrag in Höhe von 16 Euro pro Monat aus, muss jemand mit einem Einkommen zwischen 450 und 1000 Euro monatlich rund zehn Prozent davon für seinen Anteil an der Krankenversicherung aufwenden. Bei Gutverdienern, die mit ihrem Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze von 3750 Euro liegen, sinkt dieser Anteil auf fünf Prozent.
Petition an den Bundestag
Das Bündnis "Köpfe gegen Kopfpauschale", zu dem auch ver.di gehört, hat beim Deutschen Bundestag eine Online-Petition eingereicht. Darin setzt es sich für einen solidarischen Ausbau der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein. Die Pläne der Bundesregierung (siehe Bericht) lehnt das Bündnis ab. "Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass der ,Entwurf eines Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung' der Bundesregierung dahingehend geändert wird, dass die Einführung einkommensunabhängiger Zusatzbeiträge (Kopfpauschalen) für GKV-Mitglieder sowie das Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge ausgeschlossen werden und stattdessen die vollständige paritätische Beitragsfinanzierung von Arbeitgebern und GKV-Mitgliedern hergestellt wird", lautet der Text der Petition. Ein Link zu der Seite ist unter www.stoppauschale.de/e-petition zu finden. Die Zeichnungsfrist endet am 16. November. Auf der Seite www.stoppauschale.de finden sich weitere Informationen zu der Kampagne.