Ausgabe 10/2010
Zu Risiken und Nebenwirkungen
Hans Günter Abt erläutert den idealen Arbeitsschutz
Von Renate Bastian
Viele Beschäftigte werden in der täglichen Arbeit von einer Unzahl einzelner Probleme ausgelaugt. Das geht nicht selten auf Kosten der Gesundheit. Anlass dafür, dass sich mitte September rund 40 Betriebs- und Personalräte aus öffentlichen Betrieben und Verwaltungen sowie aus dem Sozial- und Erziehungsdienst im Frankfurter Gewerkschaftshaus trafen. Ihr gemeinsames Thema: die Gesundheit. Für den Vormittag der ver.di-"Fachtagung Gesundheitsschutz" waren drei Impulsreferate vorgesehen, am Nachmittag ging es in Workshops. Die Reihe der Vorträge eröffnete Hans Günter Abt von der Unfallkasse Hessen, die sich um die Arbeitsschutzorganisation in hessischen Kommunen und Landesdienststellen kümmert. Diese Einrichtung hat sich zum Ziel gesetzt, die Zahl der Unfälle deutlich zu senken, nämlich um rund ein Drittel. Dazu sei es notwendig, so Abt, sich zunächst einen Überblick über den Arbeitsschutz in den Betrieben zu verschaffen.
Was ist gefährlich?
In einer repräsentativen Umfrage wurden kleine und mittlere Kommunen, Landkreise, größere Städte, Ämter und Betriebe, Ministerialverwaltungen und Landesdienststellen befragt. Dabei stellte sich heraus, dass es in Kommunen mit unter 25000 Einwohnern beim Arbeitsschutz am meisten hapert. Am besten hingegen schnitten die Landesdienststellen ab.
Ein großes Handikap sieht Abt darin, dass häufig zu wenig Klarheit über die Verantwortlichkeit herrscht. Ein Bürgermeister, eine Bürgermeisterin könne nicht nebenbei den Arbeitsschutz delegieren. Klare Zuständigkeiten müssen festgelegt werden, die Einrichtungen haben eine Fürsorgepflicht für die Beschäftigten. Es besteht eine Pflicht zur Unterweisung, nicht nur bei neuen Tätigkeiten, sondern auch dann, wenn Schutzvorschriften nicht eingehalten werden. Der Referent machte auch deutlich, dass Betriebsärzte diese Verantwortung nicht übernehmen können. Zentral sei eine Gefährdungsanalyse. Das ist sicherlich auch für die Interessenvertretungen interessant, denn sie haben in Sachen Arbeitsschutz ein Mitbestimmungsrecht: Im Internet kann man sich dazu Hilfestellung verschaffen unter: www.gefaehrdungsanalyse.de. Aber auch die Unfallkasse Hessen stellt Material zur Verfügung. Wichtiger Tipp des Experten: Die Mitarbeiter/innen müssen einbezogen werden, denn sie kennen mögliche Gefährdungen am besten. Außerdem empfiehlt es sich, bei neuen Bauvorhaben oder Veränderung an den Arbeitsplätzen das Sicherheitskonzept von Anfang an mit zu bedenken.
So ein Stress!
Wie sehr sich die gesundheitlichen Belastungen an den Arbeitsplätzen verändert haben, wurde durch den Vortrag der Arbeitspsychologin Dr. Margit Kölbach deutlich. Sie forderte zunächst die Teilnehmer/innen auf, Stressfaktoren aus eigenem Erleben zu beschreiben. In den unterschiedlichsten Arbeitsbereichen zeichneten sich ähnliche Bilder und Stressfaktoren ab: Die Zahl der Beschäftigten nimmt ab, die Zahl der Aufgaben nimmt zu. Es gibt keine klaren Regularien und Einweisungen in neue Aufgaben; man muss Auskunft geben können über rasant wechselnde gesetzliche Vorschriften; durch die Intensivierung der Arbeit entstehen soziale Konflikte am Arbeitsplatz; unaufhörlich klingelt das Telefon; niemand bestätigt, dass man die Sache gut bewältigt. Derlei psychische Belastungen werden häufig aber als persönliches Versagen verarbeitet und man traut sich lange nicht, darüber zu sprechen. Daher der Ratschlag der Psychologin: die Belastungen müssen aus der Tabuisierung herausgeholt werden. Denn Stress entsteht zuerst im Kopf. Also ist das Reden besonders wichtig.
Arbeitszeitverkürzung
Als dritter Referent brachte schließlich Gerhard Abendschein, ver.di-Fachbereichsleiter, auf den Punkt, was sich als roter Faden durch die Diskussion spannte. Er plädierte für einen strategischen Blick. Über den einzelnen Betrieb hinaus muss ein Ziel angepeilt werden, das die vielen Einzelaufgaben der Interessenvertretungen bündelt. Und er benannte dieses Ziel: Gegen Arbeitsintensivierung und gesundheitsschädlichen Stress hilft die Arbeitszeitverkürzung als gesellschaftliche Perspektive.