Ausgabe 11/2010
Mit mehr Courage im Berufsalltag
Martina Meyer
Von 2006 bis 2010 ist die Zahl der weiblichen Mitglieder in ver.di-München um 342 gestiegen (das entspricht einem Plus von 1,39 Prozent), während sich die Zahl männlicher Mitglieder verringerte. Besonders beachtlich waren die starken Zuwächse bei den Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen. In den Tarifauseinandersetzungen 2008 und 2009 haben diese Berufsgruppen mit viel Mut und Kreativität für eine bessere Eingruppierung, für Regelungen zum Gesundheitsschutz und für mehr Anerkennung gekämpft. Wir sprachen mit Martina Meyer, Vorsitzende des Personalrats der Kindertagesstätten und Kooperationseinrichtungen bei der Landeshauptstadt München.
ver.di PUBLIK | Ist zum Jahresende 2010 bei deinen Kolleginnen die Bereitschaft noch vorhanden, für die eigenen Interessen zu kämpfen?
MARTINA MEYER | Nach dem Tarifabschluss im Sozial- und Erziehungsdienst waren viele Kolleginnen und Kollegen enttäuscht und frustriert. Gerade die Berufserfahrenen sind mit dem erzielten Abschluss sehr unzufrieden. Aber das haben wir im vergangenen Jahr oft reflektiert und analysiert. Die Frage ist ja jetzt, ob die Kampfbereitschaft noch vorhanden ist. Schon 2008 war ich überzeugt, dass der Sozial- und Erziehungsdienst in München über eine damals für viele unvorstellbare Kampfbereitschaft verfügt. Die immens hohe Streikbeteiligung hat mir Recht gegeben. Und trotz des enttäuschenden Tarifabschlusses 2009 - wir hätten hier in München gerne weiter gekämpft, unsere Forderungen waren absolut gerechtfertigt - bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass die Kolleginnen und Kollegen wieder selbstbewusst und entschlossen für ihre Interessen auf die Straße gehen werden.
ver.di PUBLIK | Haben die Streikerfahrungen Spuren hinterlassen, die sich auf die tägliche Arbeit in den Kinderbetreuungseinrichtungen auswirken?
MEYER | Die Kolleg/innen sind nach den Streikerfahrungen sehr viel sensibilisierter für ihre Arbeitsbedingungen und sehr viel energischer bei der Einforderung ihrer Ansprüche geworden. Gerade in den typischen Frauenberufen war das nicht immer der Fall. Mein Eindruck ist heute, dass gerade die Kolleginnen couragierter ihrem Berufsalltag nachgehen und sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Dieser Prozess ist noch lange nicht abgeschlossen.
ver.di PUBLIK | Wie sieht deine persönliche Bilanz rund eineinhalb Jahre nach der Tarifauseinandersetzung aus?
MEYER | Weitermachen! Auch wenn es immer wieder Rückschläge gibt, persönliche und auch gesellschaftliche. Ich bin selber Erzieherin. Mir ist die Aufwertung meines Berufes immer wichtig gewesen. Eigentlich hat mich dieses Thema mein ganzes Berufsleben begleitet - und solange es geht, werde ich mein möglichstes tun, damit die Kolleginnen und Kollegen endlich die Anerkennung bekommen, die sie in diesem verantwortungsvollen Beruf verdienen. In diesem Streik habe ich viele Erfahrungen machen können, die ich nicht mehr missen möchte. Das in der Öffentlichkeit erzeugte Interesse war einmalig und hatte große Bedeutung, gerade hier in München, öffentlich war wesentlich. Der Sozial- und Erziehungsdienst mit einer hohen Frauenquote ist eine starke Berufsgruppe, das haben wir deutlich gezeigt. Und ich bin mir sicher, dass auch in Zukunft mit uns zu rechnen ist. INTERVIEW: Heinrich Birner