Ausgabe 01/2011-02
Anders arbeiten, ...
Anders arbeiten, anders verdienen
Auch damals ein wichtiges Datum: Frauentag in der DDR 1985
Von Birgit Tragsdorf, Gestaltung: Otto Kummert
Die Frauen aus den Textilbetrieben in Crimmitschau gingen 1904 auf die Straße für bessere Löhne und kürzere Arbeitszeiten. Fünf Monate hielten sie durch und lösten mit ihrem Streik eine internationale Solidaritätswelle aus. Eben deshalb geht der DGB Sachsen in diesem Jahr mit seinen Feierlichkeiten zum Frauentag an den Ort des ersten Streiks der Textilarbeiterinnen.
Vor 100 Jahren wurde erstmals der Internationale Frauentag begangen. Die Forderungen von damals um das Frauenwahlrecht sind erfüllt. Heute geht es allerdings noch immer um gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit, um die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um die Einführung eines Gleichstellungsgesetzes in der Privatwirtschaft sowie um Quoten in Aufsichtsräten und Vorständen. Und Altersarmut bei Frauen ist ebenso Thema wie der Erhalt der Gleichstellungspolitik in Sachsen.
Typische Frauenberufe
Was so ein richtiger Frauenberuf ist, wurde Ende des 19. Jahrhunderts so formuliert: die Fortsetzung der natürlichen Mütteraufgaben als Krankenschwester, Hebamme oder Grundschullehrerin. Vor 100 Jahren arbeiteten Frauen zudem in den Fabriken, waren Telefonistinnen, lösten mit der Erfindung der Schreibmaschine die Männer in den Büros und Kontoren ab und fanden Beschäftigung in den neu entstehenden Kaufhäusern. Und es war damals schon so: Frauen verdienten deutlich weniger als Männer. Und heute? Berufe in der Pflege und im Handel beispielsweise sind noch immer typische Frauenberufe. Gerade die sozialen Berufe genießen zwar eine hohe ideelle Wertschätzung, dem gegenüber steht aber eine ausgeprägte materielle Geringschätzung - verbunden mit alten und männlich geprägten Rollenbildern. Andrea Weißenborn ist Betriebsrätin in einem Pflegeheim der AWO im vogtländischen Auerbach. Sie beschreibt die Situation so: 200 Beschäftigte hat ihr Haus, etwa zehn Prozent davon sind männlich. Das Vogtland ist eine strukturschwache Region, viele der bei der AWO beschäftigten Frauen sind Alleinverdienerinnen in ihrer Familie. Und trotzdem finden junge Männer, die in der Region bleiben wollen, kaum den Weg in soziale Berufe. Die AWO bietet dort gute Arbeitsbedingungen: Es werden Tariflöhne gezahlt, es gibt moderne Häuser, Gesundheitsförderung für die Mitarbeiter/innen. Aber auch einen hohen Anteil von Teilzeitbeschäftigung.
Gesundheits- und Sozialwesen werden künftig noch deutlich wachsen. Sie brauchen gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter/innen. Schon heute, so Gisela Mende, Fachbereichsleiterin im ver.di-Landesbezirk, gibt es in der Altenpflege Nachwuchssorgen: "Es ist ein Beruf mit hoher fachlicher Kompetenz, guter Ausbildung, aber hoher physischer und psychischer Belastung, mit Schichtdienst und hohem Teilzeitanteil." Dazu kommt noch die schlechte Bezahlung. "In unserem Landesbezirk sind die meisten Pflegeeinrichtungen nicht tarifgebunden", berichtet Gisela Mende. Mit der Kampagne "Altenpflege in Bewegung" will ver.di die Beschäftigten aktivieren. Zudem will ver.di Verhandlungen über eine Erhöhung der geringen Pflegesätze in Sachsen.
Frauen sind auch gern Verkäuferin. Annelie Schneider, ver.di-Geschäftsführerin in Chemnitz, sagt: Die Frauen schätzen die Abwechslung im Berufsalltag, die Arbeit mit Kunden, und sie können zudem variabel ihre Arbeitszeit bestimmen. Eine wichtige Erfahrung aus ihren Gesprächen mit den Frauen ist: Sie wollen anders leben und arbeiten als Männer. Wenn Karriere nur machbar ist mit einer Arbeitszeit von 6 bis 22 Uhr, dann ohne sie. Es müssen dringend neue Modelle für Arbeitszeiten, Leben, Familie, Kinderbetreuung und Entwicklungsmöglichkeiten für Frauen her.
Eine Wertediskussion ist nötig
Wie in den Pflegeberufen ist es auch im Handel: Frauen müssen so beschäftigt und bezahlt werden, dass sie von ihrer Arbeit leben können. Weg vom Zuverdienermodell und den Aufstockbeträgen. Frauen wollen Wahlmöglichkeiten bei der Arbeitszeit haben. Annelie Schneider engagiert sich seit Jahren mit ihren Mitstreitern für ordentliche Tarife, vernünftige Ladenöffnungszeiten und kämpft gegen die Arbeit an Sonntagen. "Wir lehnen eine Ausweitung der sonntäglichen Ladenöffnungszeiten ab. Der Sonntag soll ein Tag der Ruhe, Besinnung und für Freizeit und Familie bleiben. Es ist eine Wertediskussion, die wir wollen." Die Forderungen der Frauen bleiben: gleichberechtigte Teilhabe am Erwerbsleben. Sie wollen Entgeltgleichheit und politisch mitentscheiden. Sie wollen von ihrer Arbeit und im Alter von ihren Renten leben können.