Man hat den Eindruck, dass sich mit der Figur des "Herrn Kaiser" bei den Versicherungsbetrieben mehr verabschiedet als nur eine Werbestrategie. Herr Kaiser musste dem ERGO-Boy weichen. Aber gut, so ist die Welt, und sie dreht sich weiter. Herr Kaiser ist nun im wohlverdienten Ruhestand. Derweil hat sich viel geändert in der Versicherungsbranche, nicht nur bei ERGO - und nicht unbedingt zum Guten.

Der Versicherungsstandort München ist mit 32000 Beschäftigten der größte bundesweit. Wie anderswo stöhnen die Beschäftigten auch dort über enormen Arbeitsdruck. Die Mitarbeiter müssen Umstrukturierungen ohne erkennbaren Nutzen hinnehmen, Hauptsache, ein paar Euro werden gespart. Glück hat, wer noch unter den Flächentarifvertrag fällt. Allerdings ist ihre Zahl abnehmend, da die Versicherer immer mehr Service-Gesellschaften gründen und durch Outsourcing Tarifflucht begehen.

Beim Personal wird gespart

Die Allianz macht das gerade im großen Stil mit einer europäischen Tochter, der AMOS SE. Die AMOS ist eine Shared-Service-Organisation, in der die Allianz ihre IT- und Non-IT-Services gruppenweit zusammenfasst. Ziel ist eine Spaltung des originären Versicherungsbereichs und des Servicebereichs. Solche Spaltungen gibt es bei allen großen Versicherern. Die Servicebereiche sind dann normale Dienstleister und stehen unter Kostendruck. Die Kosten sollen, wie bei jedem anderen Dienstleister auch, im Personalbereich eingespart werden. Individualrechtlich sind davor im Moment noch viele Beschäftigte mit ihren Arbeitsverträgen geschützt, aber das wird nicht so bleiben.

Gerade steht die Tarifrunde für das private Versicherungsgewerbe bevor. Die ver.di-Forderungen sind aufgrund der guten gesamtwirtschaftlichen und versicherungswirtschaftlichen Entwicklung berechtigt. Die Gehälter und die Ausbildungsvergütung sollen um sechs Prozent angehoben werden. Für alle Gehaltsgruppen soll es mindestens 150 Euro mehr geben, was insbesondere den unteren Gehaltsgruppen A und B zugute kommt. ver.di möchte die Fortsetzung der Altersteilzeitregelung mit Rechtsanspruch, und dass das Ausbildungsangebot deutlich erhöht wird. Die Forderung zum Gesundheitsschutz heißt: Arbeitsbelastung reduzieren. Letztere Forderung ist zwingend, denn immer mehr Versicherungs-Vorgänge werden auf weniger Schultern verteilt. Enorme Arbeitsverdichtung und Arbeitsrückstände belasten die Beschäftigten. Die im Tarifvertrag vereinbarte 38-Stunden-Woche wird durch Überstundenkonten ausgehöhlt. Kolleginnen und Kollegen werden durch den Druck psychisch krank. Das hat auch etwas mit neuen Managementmethoden zu tun. Sie bestehen darin, dass die abhängig Beschäftigten ein eigenes unternehmerisches Interesse entwickeln sollen, ohne dabei aber wirklich selbstständig agieren zu können. Der Name dafür: "Indirekte Steuerung". So zu arbeiten, ist akut gesundheitsgefährdend. Mit dem Projekt "Faire Arbeit" will ver.di diese Zusammenhänge aufdecken. Tina Scholze