Ali Tunc mit Aktions-Karikatur

"Wenn ich das Meer berühre, streichle ich die ganze Welt." Das Meer fehlt ihm am meisten in Deutschland. Ali Tunc, 48, Flughafenarbeiter, Hobby-Karikaturist und Maler. " Das Meer", sagt er, "war für mich immer die Verbindung zur Welt. Ein Boot, das Wind und Wetter standhält - und das Meer führt dich überall hin. Meer ist Freiheit pur!" Bevor Ali Tunc 1979 aus Iskenderun in der Südtürkei mit seinem kranken Vater im meerlosen Niederbayern ankam, schuftete seine Mutter schon als Hilfsarbeiterin bei Röderstein in Landshut.

Gern kam Ali nicht. Er musste die Schule verlassen und die Freunde der "Progressiven Jugend". "Mich hat die Zeit mit ihnen geprägt", sagt er. "Wir waren Romantiker, haben die Aktionen der Arbeiter unterstützt, mit ihnen gegessen, getanzt, gesungen. Damals habe ich die Sache mit den Proletariern der Welt, die sich vereinigen sollen, verinnerlicht, bis heute."

In jener Zeit hat Ali auch zu zeichnen begonnen. "Mit einer Karikatur kann ich etwas darstellen, wofür ich sonst tausend Worte bräuchte. Ein Plakat mit einer Karikatur kann ich zu Aktionen mitnehmen." In den letzten Jahren hatte er alle Hände voll zu tun im Kampf gegen die Ausgliederung des Bodenverkehrsdienstes (BVD) am Münchner Flughafen. Ali hat dabei erfahren, dass seine Kollegen sehr schnell begreifen, was er mit den Bildern will. "Wenn ich sehe, wie die über die Bilder diskutieren und sich freuen, dann weiß ich, dass ich etwas dazu beigetragen habe, uns stärker zu machen." Ali war bei allen Aktionen der Flughafenarbeiter in den letzten Jahren dabei. Auch 2009 bei der einwöchigen Mahnwache in Freising gegen die Kündigung von Kollegen, die mit ihm für einen Sozialtarifvertrag gestreikt hatten.

Zugeständnisse vermeiden

"Wir haben mit unserer Aktivität und unseren klaren Positionen damals viele Mitglieder gewonnen und für ver.di wieder die Mehrheit im Betriebsrat zurückgeholt. Aber mit der Entwicklung im letzten Jahr bin ich nicht zufrieden." Ali meint, der Betriebsrat habe ohne Not zu viele Zugeständnisse gemacht, und das in einem Jahr, in dem der Flughafen Höchstprofite einfuhr. "Aber daraus habe ich gelernt. Wir müssen uns als Vertrauensleute auch gegenüber unserer eigenen Betriebsratsfraktion stärker artikulieren, eigene Positionen erarbeiten und mit unseren Leuten diskutieren. Wir müssen uns überlegen, ob es immer der richtige Weg ist, dass die freigestellten Betriebsräte auch das Sagen in den Vertrauensleutekörpern haben." Es gebe da eine Tendenz zur Verselbstständigung, die auf Dauer nicht gut sei. "Seit wir diese Politik machen, verlieren wir wieder Mitglieder. Das sagt alles!"

Gelegenheit, sich mit seiner Kunst einzubringen, wird es weiter geben. Ali malt jetzt auch in Öl, ab und zu jedenfalls. "Für mich wäre es schön, wenn ich mit anderen Kollegen, die zeichnen und malen, einen Austausch hätte. Das musst du schreiben, ist mir wichtig." Seit kurzem macht er im Betrieb auch bei einem Chorprojekt zur Geschichte der Luftfahrt mit. Da wird lateinisch, italienisch, französisch, und deutsch gesungen. Ali ist der einzige, der sich für die Chorproben vorher den Blaumann ausziehen muss.