Ausgabe 04/2011
Ohne Rückversicherung
Die Forderung nach einem Ausstieg aus der Atomenergie wird derzeit auf vielen ver.di-Konferenzen diskutiert. Dabei wird auch an die Belange der Beschäftigten der Branche gedacht
Das Kernkraftwerk in Stade wird bereits zurückgebaut
Täglich kommen neue Nachrichten aus dem japanischen Kernkraftwerk in Fukushima. Auch mehr als einen Monat nach dem ersten Erdbeben und dem nachfolgenden Tsunami ist die Lage dort immer noch dramatisch. Die Forderung nach einem Ausstieg aus der Atomkraft ist dadurch zu einem viel diskutierten Thema bei den Konferenzen der ver.di-Landesbezirke und -Personengruppen geworden, die derzeit stattfinden. "Wenn Dinge genutzt werden, die eine Halbwertzeit von 300000 Jahren haben, braucht man eine gute Rückversicherung. Die gibt es aber nicht", sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske bei der Konferenz im Landesbezirk Nordrhein-Westfalen.
Der ver.di-Landesbezirk Hessen fordert die dauerhafte Abschaltung der sieben ältesten deutschen Kernkraftwerke. Außerdem macht er sich für einen "weltweiten, beschleunigten Ausstieg aus der Atomenergie" stark. Im Gegenzug soll es öffentliche Investitionen nur noch für umweltfreundliche Strom- und Energieproduktion geben. Der neu gewählte Vorstand des ver.di-Landesbezirks Hessen hat den Auftrag erhalten, eine neue Position zur Zukunft der Energieversorgung des Bundeslandes zu erarbeiten.
In der Entschließung der Konferenz des Landesbezirks Niedersachsen-Bremen heißt es: "Die von CDU/FDP beschlossenen Laufzeitverlängerungen müssen zurückgenommen werden. Der schnellstmögliche Ausstieg aus der Atomenergie muss jetzt politisch beschlossen werden. Als Minimum muss dabei der Atomkonsens, der von der früheren rot-grünen Bundesregierung 2001 mit den Atomkonzernen geschlossen wurde, erneut in Kraft gesetzt werden."
Die Delegierten der ver.di-Landesbezirkskonferenz NRW halten die Atomenergie für nicht beherrschbar. Ebenso wie andere Landesbezirke und Personengruppen fordern sie Perspektiven für die betroffenen Beschäftigten: "Für die von einer Stilllegung betroffenen Atomkraftwerke müssen unverzüglich Vereinbarungen zu Maßnahmen für Beschäftigungssicherung getroffen werden. Diese müssen auch den gesamten Rückbau der Anlagen mit Eigenpersonal beinhalten." Auch die Personengruppe der Meister/innen, Techniker/innen und Ingenieur/innen fordert in einem Antrag, dass "zur Sicherung der Arbeitsplätze in den stillgelegten Anlagen Konzepte entwickelt werden müssen und die erforderliche Finanzierung bereitgestellt werden muss".
Zweifel am Moratorium
"Wir erwarten von der Politik, dass sie mit uns über Beschäftigungssicherheit redet", sagt Sven Bergelin, Leiter der ver.di-Bundesfachgruppe Energie und Bergbau. Gleichzeitig forderte er "eine politisch-gesellschaftliche Diskussion über die ohnehin hohen Sicherheitsstandards" hierzulande. Unter den Beschäftigten mache sich nach dem Erlass des Moratoriums durch die Bundesregierung Angst und Sorge um die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze breit. Das Moratorium selber halten sie für überstürzt und allein den Landtagswahlen geschuldet. Auch der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske kritisierte die Bundesregierung für diese Entscheidung. Entweder sei die Sicherheit der Kernkraftwerke gewährleistet, dann brauche man sie auch jetzt nicht zu überprüfen. Sollte es daran Zweifel geben, hätten sie längst abgeschaltet werden müssen.
Die aktuelle ver.di-Beschlusslage ist eindeutig für einen Ausstieg aus der Atomenergie. "ver.di fordert ohne Wenn und Aber den schnellstmöglichen Ausstieg", heißt es in einem Antrag, den der ver.di-Bundeskongress 2007 verabschiedet hat. Zumindest der von der rot-grünen Bundesregierung 2001 mit den Energieunternehmen ausgehandelte Ausstiegsfahrplan solle eingehalten werden. Den aber hatte die jetzige schwarz-gelbe Bundesregierung als eine ihrer ersten Amtshandlungen gekippt. Dieser rot-grüne Ausstieg könne, so Bergelin, ohne betriebsbedingte Kündigungen ablaufen.
Spenden und Solidarität
Immer noch werden in Japan tausende Menschen vermisst, sind verletzt oder haben Hab, Gut und Haus verloren. Internationale Gewerkschaftsverbände rufen zu Spenden auf. Informationen zu den Spendenkonten sind zu finden auf der Website http://international.verdi.de/solidaritaet
Außerdem sind dort die E-Mail-Adressen der internationalen Dachverbände in Japan zu finden. Dorthin kann man schreiben, wenn man japanischen Kolleginnen und Kollegen sein Mitgefühl und seine Solidarität bekunden möchte.